High End – oder wie teuer es ist, Musik zu hören
Accuphase ist der Traum meiner Jugend, wenn es um VerstĂ€rkertechnologie ging. Dazu spĂ€ter mehr. Wenn wir gerade bei Jugend sind: in den 80er Jahren waren auch Infinity-Boxen en vogue. Gibt es leider nicht mehr. Und die CD hatte gerade ihren Siegeszug begonnen. Es hieĂ die Platte wird dies nicht ĂŒberleben und siehe da: im High End Bereich ist sie auch heute noch immer ein Garant fĂŒr ĂŒberlegenes Klangerlebnis.
Was macht heute High End aus?
Wenn man sich den Markt anschaut, dann versuchen sich High End Hersteller (und auch ihre Kunden) von der Masse dadurch abzusetzen, daĂ Sie viele Zitate âder guten alten Zeitâ in ihren Komponenten verwenden. Dazu gehören fast prototypisch Plattenspieler und Röhren in allen Bereichen der VerstĂ€rkertechnik. Ein CD-Player mit einer kleinen Vorstufe, die ein bis zwei Röhren eingesetzt hat, ist fĂŒr mich ein so abstruses Bild dieses High End Trends, der sagt: âGuck her, ich High Enderâ. Und natĂŒrlich sind die Röhren immer wieder optisch hervorragend freigestellt und verbessern nicht nur den Klang, sondern dienen noch als Heizung und als Leuchte mit schönem, gemĂŒtlichem Licht.
Dazu fingerdicke Lautsprecher-Kabel mit spektakulĂ€ren Ummantelungen. Manchmal denke ich mir bei solchen Kabeln, daĂ es wichtiger ist ein cooles Aussehen zu bieten, als sich ĂŒber technische Höchstleistungen abzusetzen. NatĂŒrlich bestehen diese Kabel innen immer aus sauerstofffreiem Kupfer (<0,000000009%) und grenzen sich dann wahrscheinlich nur noch durch die Ummantelung voneinander ab.
Bitte verzeiht mir die Ironie, aber manchmal ist die Form der PrÀsentation und die Diskussion mit High Endern nur mit Ironie zu ertragen. Aber nun zuerst zu der Theorie und dann kommen wir zu meinen persönlichen Erfahrungen.
Was will der High Ender?
Theorie: der High Ender möchte bestmögliche Musikwiedergabe. DafĂŒr opfert er viel Zeit, Geld und auch Nerven, um diesem Ziel nĂ€herzukommen. DafĂŒr ist es nötig, daĂ von der Musikaufnahme bis zur Wiedergabe das ursprĂŒngliche Signal so wenig wie möglich verĂ€ndert wird. Nur so kann sichergestellt werden, daĂ man ĂŒberhaupt die Chance erhĂ€lt zu hören, was sich KĂŒnstler, Ton Ingenieur und andere bei der Erstellung dieser Musikkonserve gedacht haben.
Praxis: Musik kommt heute in vielen unterschiedlichen Medien und Formaten auf unsere Anlagen. Vinyl, CD, SACD, DVD-Audio, BluRay, komprimierte digitale Soundformate wie MP3 oder AAC, Lossless-Formate wie WAV, FLAC oder AIFF. Das ist das Material mit dem wir zu Hause arbeiten können. Und jetzt versucht der High Ender seine Komponenten so aufeinander abzustimmen, daĂ das ausgelesene (erlesene) Material möglichst unverfĂ€lscht in seinen Hörraum abgegeben wird. Der High Ender hört aber nicht bei den Komponenten auf, sondern ihm ist auch noch bewuĂt, daĂ der Raumklang einen groĂen Einfluss auf die Wiedergabe dieses Materials hat und optimiert die Position der Lautsprecher, die eigene Sitzposition und die Klangeigenschaften von reflektierenden FlĂ€chen.
Eigene Erfahrungen: ich selbst bin erst am Anfang. Ich weiĂ, daĂ ich angekommen bin, wenn ein Accuphase VerstĂ€rker meine Heim-Anlage ziert. Das ist meine persönliche Zielvorgabe und muss nicht mit der von wahren High Endern ĂŒbereinstimmen. Ăber Jahre habe ich mich in meine Musik eingehört und passe langsam – immer abgestimmt auf meine finanziellen Möglichkeiten – die Komponenten meiner Anlage an. Ein weiteres Ziel ist es mit digitalen Lossless-Formaten zu arbeiten. Diese sind auf dem deutschen Markt allerdings noch nicht so verbreitet.
Fazit
Ich bin davon ĂŒberzeugt, daĂ der pure Materialeinsatz nicht gute Musik garantiert. Einen GroĂteil meiner Aha-Erlebnisse verdanke ich kleinen Anpassungen der RaumdĂ€mpfung, der Aufstellung und Ausrichtung der Lautsprecher. Ich wĂŒrde mir manchmal wĂŒnschen, daĂ auch bei normalen Stereo-Anlagen eine Einmesseinrichtung angeboten wird, die es erlaubt, die optimalen Positionen zu finden und auch dabei zu helfen, kritische Raumeigenschaften zu identifizieren und Workarounds zu finden.
Ich bin aber doch davon ĂŒberzeugt, daĂ Musik ein solches Dynamikspektrum bietet, welches nur mit passendem Materialeinsatz wiedergegeben werden kann. VerstĂ€rker brauchen Leistung, Plattenspieler brauchen erschĂŒtterungsentkoppelte Laufwerke, digitale Format brauchen hochwertige DA-Wandler, Lautsprecher benötigen ein resonanzarmes GehĂ€use, Kabel benötigen ausreichend groĂe Querschnitte.
Aber manche High Ender ĂŒbertreiben bei einigem âVoodoo-Kramâ doch sehr. Dazu gehören fĂŒr mich Stromaufbereiter, spezielle Steckerleisten und die richtige Phase von Steckern, Röhren ĂŒberall, AbschlusswiderstĂ€nde fĂŒr AnschlĂŒsse an GerĂ€ten, AufsĂ€tze fĂŒr nicht benutzte Netzstecker, Entmagnetisierer fĂŒr CDs und was es sonst noch fĂŒr Geheimmassnahmen fĂŒr optimalen Klang geben mag. Oh ja: Klangschalen gehören auch dazu đ
Das schöne an High End ist, daĂ man nach dem Optimum strebt. Und es viele Wege dorthin gibt. Und wir werden wahrscheinlich nie am Ziel sein. Ich hoffe, daĂ mein Tinitus mir auch weiterhin ermöglicht, die Musik als solches zu geniessen und mich immer wieder von neuem ĂŒberraschen zu lassen.