
Dies war einer dieser Tage, auf die ich mich besonders gefreut habe. So wie auf eine Apple Keynote oder einen runden Geburtstag eines alten Computers. Diesmal war es eine Einladung meines Freundes Christoph einen Tesla Model X in der Variante 100D mit ihm zu fahren. Ein Auto einer Firma, die von sich behauptet mehr von Digitalisierung zu verstehen, als jede andere Autofirma. Und die Digital Electric Power zum Mainstream gemacht hat. Eine Millionen Fahrzeuge verkauft Tesla pro Jahr weltweit.
Christoph ist ein großer Fan von diesem Auto. Immerhin war es sein Hochzeitsfahrzeug. Seine Frau ist mit ihrem Hochzeitskleid aufrecht stehend in dieses Auto gestiegen dank der großartigen Flügeltüren. Das Auto hat eine Lichtparty für sie veranstaltet. Nun fahren wir den Tesla Model X seines Cousins. Der Wagen ist knapp 5 Jahre alt.




Ich werde dieses Auto nach meinen ganz persönlichen Kriterien testen. Wer einen ausführlichen und mit Sicherheit ausgewogenen Bericht über den Tesla Model X lesen will, sollte auf diesen Autotest des ADAC klicken.
Ich lerne das Auto kennen
Christophs Herausforderung war es mir all die tollen besonderen Features und Funktionen von Tesla Autos zu zeigen. Schon seit Jahren versucht er mich davon zu überzeugen, dass ich beim Tesla Store im Kö-Bogen in Düsseldorf eine Probefahrt nachfrage. Aber um ehrlich zu sein: seit Jahren habe ich keine besondere Leidenschaft mehr für Autos. Seitdem ich beruflich viel fahren muss, ist diese Freude verloren gegangen.
Heute interessiert mich eigentlich nur noch, ob ein Auto eine Apple CarPlay Integration hat. Und hier kommt schon der erste Dämpfer. Tesla bietet kein Apple CarPlay an. Man kann natürlich sein iPhone per Bluetooth verbinden, aber nicht das volle Set an Apple-Funktionalität nutzen. Hmmm, will ich wirklich mehr Zeit mit dem Test dieses Autos verschwenden?
Geht – geht nicht

Christoph drückte mir den Schlüssel in die Hand. Dieser hat die Form des Model X und man kann auf die Stellen drücken, wo die Türen beim echten Auto sind. Das funktionierte aber nicht. Christoph war auch ratlos. Der nächste Featuretest war die Annäherung an das Fahrzeug und die Fahrertür soll sich automatisch öffnen. Das klappte zwar bei Christoph, aber zweimal nicht bei mir. Zwar erkannte der Tesla meine Annäherung und der Außenspiegel klappte auf, aber nicht die Tür. Aber als wir die Tür manuell geöffnet hatten und ich eingestiegen bin, dann wurde durch meinen Druck auf das Bremspedal die Tür automatisch geschlossen. Geht doch 😀
Nur fliegen ist schöner
Aber wir haben ja auch noch zwei Flügeltüren. Wie funktionieren die denn? Wenn man bei Tesla auf die Spitze der in die Tür eingelassenen Türgriffe drückt, dann öffnet sich die Flügeltür mit einem eleganten Bogen steil nach oben. Wenn beide synchron auf und zugehen, dann wirkt das wirklich wie ein eleganter Flügelschlag. Das ist DAS Alleinstellungsmerkmal dieses Autos. Senkrecht stehend in ein Auto einsteigen kann man nur mit einem Tesla Model X. Für ältere Menschen und Bräute mit ausladendem Brautkleid ist das wirklich sinnvoll. Der Öffnungsmechanismus ist so intelligent, dass er auch berücksichtigt, ob ein anderes Auto an seiner Seite parkt oder man in einem niedrigen Parkhaus steht.



Durchblick
In dem Moment wo man in diesem Auto sitzt bemerkt man zuerst diese gewaltig grosse Windschutzscheibe. Sie zieht sich weit in den Dachhimmel bis hin zu den Flügeltüren. Der Spiegel ist mitten auf dieser Scheibe montiert und die Anschlüsse werden über einen Kabelsteg längs nach oben geführt. Was mir beim Blick in den Sonnenuntergang gleich auffiel, war die fehlende Sonnenblende. Aber sie fehlt nicht. Sie ist lediglich an der Seite angebracht und kann leicht quer über die Windschutzscheibe bis zum Spiegel geführt werden und rastet dort satt ein. Und dann kann man noch die Sonnenblende ausklappen. Das ist mal eine tolle Detaillösung.
Drei Sitzreihen
Die Flügeltüren ermöglichen den Zutritt zu den zwei hinteren Sitzreihen. Sogar die dritte Sitzreihe ist für Erwachsene akzeptabel. Wenn man dort hinwill, dann kann man entweder die Sitze der zweiten Sitzreihe elektrisch nach vorne bewegen und kann dann bequem einsteigen. Oder man steigt in die zweite Reihe ein und nutzt den Mittelweg zwischen den beiden Sitzen als Zugang zur dritten Sitzreihe. Auch das ist nicht unbequem, aber ein wenig artistischer. Die Sitze der zweiten Sitzreihe sind sehr nahe an der Flügeltür positioniert. Ich hatte ein kleines Gefühl von Enge in Richtung Tür während man zum Innenraum genügend Platz hat. Aber der Fensterbereich im Dach über diesen Sitzen ist einfach großartig. Das kann kein anderes Auto bieten. Diese Dachfenster sind Teil der Flügeltürkonstruktion. Einfach toll.



Kofferraum?
Elektroautos haben ja bekannterweise keinen Motorraum und an dieser Stelle einen sogenannten Frunk (Front Trunk). Auch das Model X von Tesla hat diesen. Außerdem hat er einen kleinen Kofferraum hinter der dritten Sitzreihe. Und wenn der Fahrer die Abdeckung entfernt zeigt sich darunter ein weiterer grosser Ladebereich, den man gut ausnutzen kann. Wer auf die dritte Sitzreihe verzichten kann, der legt die Sitzlehnen nach vorne um.


Dadurch entsteht eine große Ladefläche, die durch den unteren Ladebereich natürlich noch vergrößert wird.
Tesla Mission Control
Wir steigen jetzt in die erste Sitzreihe und schauen uns ein wenig um. Im Innenraum dominiert der große Screen in der Mitte des Armaturenträgers. Ansonsten gab es nur wenig auffällige Merkmale innerhalb des Autos zu finden. Es gibt Fensterheberschalter, eine Taste für den Warnblinker und eine Taste zur Öffnung des Handschuhfachs. Hinter dem Lenkrad gibt es drei Hebel und auf dem Lenkrad überraschend wenig Knöpfe. Jedes heutige Auto hat am Lenkrad eine Armada an Steuerknöpfen und Drehreglern. Natürlich gibt es da keinen Standard, so dass man bei jedem Auto die Belegung neu lernen muss.

Der 17“-Bildschirm ist senkrecht angeordnet und dominiert das Cockpit. Alle Funktionen des Autos werden über diesen Screen gesteuert. Ich nenne ihn einfach nur Tesla Mission Control. Und hier spielt die Musik (im wahrsten Sinne des Wortes).
Alle Einstellungen wie die Klimatisierung, die Navigation, Musik und Spielereien wie die Einstellungen von Systemtönen (z.B. Furzkissengeräusch beim blinken) lassen sich über Tesla Mission Control machen.


Als IT Profi hat mich natürlich interessiert wie Tesla die Fläche des Bildschirms verwendet und aufteilt, um mehrere Funktionen gleichzeitig anzuzeigen. Und ich muss zugeben, dass ich dies als etwas uninspirierend wahrgenommen habe. Für alle die mehr über die Bedienung dieses Screens sehen wollen empfehle ich dieses YouTube-Video.
Tausendundeine Einstellungsmöglichkeiten
Der Screen kann entweder in einer Vollbilddarstellung oder als Split Screen genutzt werden. Der untere Teil kann auch größer oder kleiner über einen Swipe mit dem Finger auf dem Screen gemacht werden. Zum Beispiel kann die Rückkamera in den unteren Teil eingeblendet werden oder auch nach oben geschoben werden. Das Einstellungsmenü erlaubt es viele Aktionen des Autos direkt aufzurufen. Damit können die Türen einzeln geöffnet und geschlossen werden. Die Höhe der Luftfederung kann individuell eingestellt werden, wobei diese Einstellung ab einer gewissen Geschwindigkeit automatisch wieder auf den Standard zurückgestellt wird. Das Auto soll ja seinen günstigen Luftwiderstandsbeiwert behalten bei der Fahrt.

Auch die Sitzheizung kann zentral für jeden einzelnen Sitz eingestellt werden. Schon beeindruckend, was alles über diesen Dialog möglich ist. Auch kann man die Beschleunigung von Leisure (gemütlich) auf Standard umstellen. Da merkt man wirklich, wie schnell dieses schwere Schiff auf einmal beschleunigt werden kann, wenn man die Standardeinstellung wählt.
Aber dann wird natürlich der Akku sehr schnell leer gesaugt. Damit das nicht passiert wird der energiebewusste Fahrer bestens unterstützt mit Statistiken zum Verbrauch, Energierückgewinnung durch Rekuperation beim Bremsen und Ladezeiten.
Navigation
Auch beim Planen von Routen wird einem immer aufgezeigt, wieviel Energie man für eine geplante Strecke benötigen wird und wo der nächste freie Tesla Supercharger auf der Strecke ist. Es wird einem nur aufgezeigt, wenn freie Ladesäulen mit dem passenden Ladestecker verfügbar sind.


Tesla nutzt zur Navigation Google Maps Daten. Und zuerst wirkt die große Navigationsanzeige auf diesem Screen einfach beeindruckend. Wenn man aber fährt, dann bekam ich den Eindruck, dass mich Apple CarPlay und die Apple-Navigation besser unterstützt. Mir fehlte eine dreidimensionale Ansicht der Fahrspuren und der Ausrichtung der Karte in Fahrtrichtung.

Dafür ist dann die Anzeige im Cockpit hinter dem Lenkrad besser geeignet. Dort gibt es für mich eines der Highlights der Digitalisierung von Tesla. Dank all der Sensoren zeigt der Tesla die Objekte ausserhalb des Autos im Display an und berücksichtigt dabei auch die Größe. Motorräder werden sogar als Motorrad angezeigt. Das hat mich sehr beeindruckt.
Fahren und Laden mit dem Tesla Model X – Digital Electric Power
Die Ampel-Erkennung funktioniert und ist praxisgerecht. Das Fahrzeug bremst selbstständig ab vor einer roten Ampel, wenn der Abstandstempomat aktiviert ist. Warum kann das kein anderer Autohersteller realisieren?
Toll ist auch der Fahrspurwechsel auf der Autobahn gestaltet. Wenn die Spur links vom Auto frei ist, dann wird dies über eine blau erleuchtete Fahrspur angezeigt. Wenn man dann den Blinker setzt, dann wechselt der Tesla selbständig auf diese Fahrspur.
Und wenn man die Beschleunigung in den Einstellungen auf Standard anstelle von Leisure stehen hat, dann geht es auch richtig schnell weiter. Da bewegen die beiden Elektromotoren das über zwei Tonnen schwere Gefährt mit brachialer Gewalt nach vorne. Das ist wirklich beeindruckend. In der Einstellung Leisure ist die Beschleunigung schon fast gemütlich, vor allem aber energiesparend.
Besuch beim Supercharger
Wir haben uns dann zum nächsten Tesla Supercharger in Hilden navigieren lassen. Einer der größten zur Zeit in Europa. Insgesamt 40 Supercharger mit unterschiedlichen Ladeleistungen stehen dort zur Verfügung. Außerdem ist auch FastNed mit einigen weiteren Ladesäulen vertreten und der Anbieter Seed & Greet bietet neben eigenen Ladesäulen auch ein Restaurant für die wartende Kundschaft.



Das Aufladen will auch gelernt sein. Zuerst muss man die richtige Ladesäule finden. Der Tesla Model X hat den alten Ladestecker. Aber auch für diesen gibt es genügend freie Ladesäulen. Dann muss man das Fahrzeug rückwärts bis an die Poller auf dem Boden ranparken. Damit ist es dann möglich den Ladestecker von der Säule abzunehmen und die Ladeklappe öffnet sich automatisch am Tesla. Nachdem Christoph den Ladestecker eingeführt hat arretiert dieser und der Ladevorgang beginnt. Alles weitere können wir an der Tesla-App einstellen und den Fortschritt verfolgen. Wir haben kurz einen Kaffee getrunken und erhalten dann die Bestätigung, dass der geplante Ladestatus erreicht ist.
Dieser Tesla-Supercharger in Hilden ist wirklich eine sehr interessante Erfahrung. Rund um Elektroautos hat sich hier ein kleiner Hub von Services gebildet, der in Zukunft noch wachsen wird. Als neuester Service ist diesen Sommer ein Swimmingpool für die Kunden aufgestellt worden.
Digitalkompetenz von Tesla?
Nach all den Erfahrungen, die ich bei dieser Ausfahrt gemacht habe, kann ich Tesla maximale Digitalkompetenz bestätigen. Da müssen die klassischen Automobilhersteller noch einiges lernen, bevor sie den Digitalisierungsstandard von Tesla erreichen.

Nur eines fand ich sehr irritierend. Das User Interface wirkte für mich manchmal ein wenig langsam. Die Schwuppdizität fehlte meiner Meinung nach. Wenn man Top-Smartphones gewohnt ist, dann weiss man wie flüssig Inhalte auf einem Screen dargestellt werden können. Beim Tesla Model X merkt man, dass dieses Modell bereits fünf Jahre alt ist. Als einen der letzten Tests habe ich den Browser aufgerufen und meine Website aufrufen lassen.
Ich war erschüttert, wie lange der Bildaufbau dauerte. Und das trotz guter 4G-Verbindung. Ausserdem war die Anzeige nicht vollständig. Der Tesla Browser war nicht in der Lage meine Website so anzuzeigen, wie normale Browser das heute können. Tatsächlich war die aufgerufene Landingpage meiner Website nicht nutzbar auf dem Tesla.
Fazit
Kein Apple CarPlay. Kein vernünftiger Browser. Ziemliche Dämpfer in meiner persönlichen Wahrnehmung dieses ansonsten tollen Elektroautos.
Ich bedanke mich bei Christoph und seinem Cousin, dass ich diese Erfahrung machen durfte. Es war vor allem schön die Begeisterung bei Christoph für dieses Auto zu sehen, obwohl ihm sonst Autos nicht viel bedeuten. Aber die umgesetzten technischen, vor allem elektrischen Konzepte sind einfach faszinierend. Elon Musk hat mit Tesla der Automobilindustrie gezeigt, wie man auch mit einem anderen Schwerpunkt (Digital Electric Power) am Markt erfolgreich sein kann. Bis heute versuchen die klassischen Automobilhersteller den Vorsprung von Tesla aufzuholen. Es gibt zwar viele gute Ansätze, aber keiner verkauft so viele Elektrofahrzeuge wie Tesla weltweit.
Trotzdem bin ich weiter der Überzeugung, dass das aktuelle Elektrofahrzeugkonzept mit festeingebauten Akkus nur für eine elitäre Schicht interessant ist. Es macht nur Sinn, wenn man eine eigene Ladeinfrastruktur entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz hat. Außerdem sind die Kosten für den Akku ein großer Fixkostenblock in der Anschaffung. Ich plädiere auch weiterhin für Austauschakkus und eine entsprechende Tankstelleninfrastruktur, wo man die Akkus in wenigen Minuten unter dem Auto austauschen kann. Damit bezahle ich nur die Ladung und nicht den Akku. Eventuell sind Mietgebühren für den Akku in den Austauschpreis eingepreist. Keine langen Ladezeiten mehr. Keine eigene Ladeinfrastruktur zu Hause erforderlich. Aber von dieser Vision sind wir weiter entfernt als von Elon Musks Vision von Elektromobilität.