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NeXT Computer – die zweite Karriere von Steve Jobs

Lesedauer: 15 Minuten NeXT Computer waren der nächste Versuch von Steve Jobs im Computerbusiness relevant zu sein. Ich erkläre die Highlights der Keynote.

NeXT Computer galten für mich immer als DIE Top Computer der 90er. Sie waren ebenso unerreichbar wie Sun Workstations. Obwohl wir im Rechenzentrum der Uni Düsseldorf einige Sun SPARCstations stehen hatten. Wir machten so die ersten Begegnungen mit einer graphischen Benutzeroberfläche auf einem UNIX Betriebssystem.

NeXT, Inc. hat Steve Jobs seine Firma 1985 genannt. Die Zeit zwischen dem Rausschmiss bei Apple und der triumphalen Rückkehr zu Apple über 10 Jahre später nutzte Steve Jobs sehr intensiv. Überraschenderweise sind die Ereignisse um Steve Jobs in diesem Zeitraum im öffentlichen Bewusstsein nicht sehr bekannt. Es ist schwierig Dokumentationen darüber zu finden, was in dieser Zeit passiert ist. Es gibt Präsentationen von Steve Jobs wie er das NeXTSTEP Betriebssystem und seine Features vorstellt.

Der NeXTcube von 1988 mit dem Megapixel-Display
Der NeXT Computer von 1988 mit dem Megapixel-Display (Quelle: inexhibit.com)

Er hat Pixar 1986 übernommen und mit vielen kreativen Leuten Meilensteine in der Computeranimation und bei abendfüllenden Filmen erreicht. Er hat damit Milliarden verdient.

Eine neue Aufgabe mit NeXT

Aber seine wirkliche Leidenschaft war die Entwicklung von Produkten an der Kreuzung von Liberal Arts und Technology. Und so versuchte er gleich nach seinem Ausstieg bei Apple wieder Computer mit besonderem Anspruch zu bauen.

Bei Pixar war zuerst das Hauptprodukt der Pixar Image Computer. Der hatte auch ein Würfelgehäuse, kostete 1986 um die 135000$, und wurde nur von staatlichen Institutionen und in der Medizinbranche genutzt. Erst später erkannte man, dass die Computeranimationsabteilung rund um John Lasseter erfolgreicher war.

NeXT war Steve Jobs zweiter Versuch die Computerwelt aus den Angeln zu heben und zu revolutionieren. Apple hat ihm allerdings ein paar Auflagen gemacht, die ihm den Neuanfang erschweren sollten. Diese sahen vor, dass er Apple für einen definierten Zeitraum erlauben musste, Einblicke in die NeXT Entwicklungen zu nehmen. Und er durfte keine neuen Computer vor Juli 1987 veröffentlichen.

So wurde erst im Oktober 1988 der erste NeXT Computer, auch Cube genannt, vorgestellt. Von dieser Vorstellung, einer Keynote von über zwei Stunden gab es bis 2015 kein öffentlich verfügbares filmisches Material.

Als die Vorbereitungen für den Film Steve Jobs (Autor Aaron Sorkin) im Jahr 2015 liefen fand man zwei VHS-Bänder von der Präsentation des NeXT Computers durch Steve Jobs. Die Aufnahmen wurden verbessert und digitalisiert und stehen uns jetzt als YouTube-Film zur Verfügung. Bessere Versionen werden allerdings immer noch gesucht, da diese Version fast nur schwarzes Bild, aber guten Ton liefert.

Die NeXT Computer Präsentation im Oktober 1988 – Motivation

Bemerkenswert an dieser zweistündigen Präsentation ist für mich die Motivation durch Steve Jobs, warum die Welt seinen neuen Computer braucht. Als IT-Berater erlebe ich es immer in Präsentationen unserer Branche, dass man zwar seine Produkte und Services präsentiert, die aber nicht wirklich an den Bedürfnissen unserer Kunden ausgerichtet sind. Ich bin begeistert vom Auftreten des Marketing-Manns Steve Jobs und der Strukturierung seiner Keynote.

Architectural Peak – die Welt braucht unbedingt was Neues

Wie präsentiert oder erläutert man eine neue Computerarchitektur? (Quelle: inexhibit.com)

NeXT hat zu diesem Zweck ein Modell entwickelt, aus dem sie den Architectural Peak einer Computerarchitektur ableiten (ab 05:23). Mit diesem wollen sie nachweisen, dass alle aktuellen Computerarchitekturen ihren Zenit bereits erreicht haben. Und damit eine neue zukunftsorientierte Plattform für die 90er Jahre benötigt wird.

  • So hat nach ihrer Meinung der Apple II seinen Architectural Peak bereits um 1982 erreicht.
  • Der IBM PC habe seinen Architectural Peak bereits 1986 überschritten (ab 07:10). Nur OS/2 könnte dabei helfen diesen Peak weiter in die Zukunft zu verschieben.
  • Nur bei seinem MacIntosh war er gnädiger. Dessen Architectural Peak würde erst im Jahr 1989 überschritten.

Seine Argumentation ist, dass Applikationen auf diesen Architekturen aufbauen. Damit ist eine Architektur eine Belastung für diese Applikationen, wenn sie sich nach diesem Peak nicht mehr wesentlich weiterentwickeln können.

Diese Argumentation und das Modell hörte sich erstmal vernünftig an. Aber tatsächlich waren offene Architekturen flexibel genug, um sich immer weiterzuentwickeln.

  • Der Apple II Computer und seine Nachfolger wurden noch bis 1993 weitergebaut.
  • Und der PC ist auch heute immer noch lebendig und wird wegen seiner Offenheit stetig weiterentwickelt.
  • Nur ausgerechnet der von Steve Jobs entwickelte Macintosh war so geschlossen, dass er fast 1997 ein abruptes Ende gefunden hätte.

Der NeXT Computer sollte der Computer mit der Architektur für die 90er werden.

Zielgruppe Higher Education

Steve Jobs hat die Branche der höheren Bildungsanstalten (Higher Education) als Zielgruppe seiner Computer ausgemacht (ab 11:00).

Die Präsentation des NeXT Computer (Quelle: The ReDiscovered Future)

Der neue NeXT Computer orientiert sich an den Bedürfnissen dieser Zielgruppe und Steve Jobs hat diese gefragt: was wünscht ihr euch für einen neuen zukunftsweisenden Computer als Partner in thought?

In den Vereinigten Staaten bestehen die Höheren Bildungsanstalten aus über 3000 Instituten (Colleges und Universitäten) mit 12 Millionen Studenten. NeXT hat 24 einflussreiche und richtungsweisende Persönlichkeiten interviewt und gefragt, was ihre Anforderungen an die nächste Generation von Workstations sind. Steve Jobs fasst diese Anforderungen folgendermaßen zusammen (ab 12:30):

  • Power of Unix: echtes Multitasking mit Netzwerkunterstützung. Aber es soll auch für gewöhnliche Sterbliche bedienbar sein. Ease of use
  • Schnelligkeit und viel Leistung: mindestens 5 MIPS. Schnelle Fließkommaberechnungen, Array Processing (was auch immer das ist)
  • Riesen Speicherkapazitäten: 8 MB RAM. 100 MB auf Massenspeicher (ist das süß 😊)
  • Ein Unified Imaging Model: (Display) PostScript soll implementiert werden
  • Ein großer Desktop mit 1 Millionen Pixeln. Kein Scrollen mehr auf kleinen Bildschirmen mit kleinen Auflösungen
  • Schnelles und transparentes Netzwerk bereits eingebaut
  • Großartiger Sound, am besten CD-Qualität
  • Open Architecture, erweiterbar für die 90er
  • Kompakt, cool und leise
  • Ein günstiger Laser-Drucker sollte auch dabei sein

Wie soll diese neue Architektur aufgebaut sein?

Aufgrund der Anforderungen von Higher Education war NeXT der Überzeugung, dass Gesamtsystemdurchsatz (Overall System Throughput) wichtiger ist als MIPS (ab 16:45). Mainframes leisten das bereits seit Jahrzehnten. Dazu werden sogenannte IO Prozessoren an allen IO Kanälen eingesetzt und steuern die Daten. Higher Education möchte also einen persönlichen Mainframe ist seine Schlussfolgerung.

Dazu versucht Steve Jobs zu erläutern, was typische Werte für den Gesamtdatendurchsatz unterschiedlicher Architekturen sind (ab 18:34):

  • Schnelle PC oder Mac: bis 10 MB/s
  • Workstations: bis 20 MB/s
  • Mainframes: bis 40 MB/s

Um die Architektur der 90er Jahre zu bauen hat NeXT zwei VLSI-Chip eingebaut (ab 19:45). Steve sagt stolz, dass dies zwei Mainframes on a Chip sind. Statt Integration auf Basis von Glasfaserverkabelung innerhalb von Mainframes würde höchste Integration direkt auf einem Chip erreicht. State of the Art designed by NeXT. Die beiden Chips wurden als Integrated Channel Processor (ICP) und Optical Storage Processor (OSP) bezeichnet.

Laut NeXT läge der Gesamtdatendurchsatz mit diesen beiden Chips bei 32 MB/s. Und auf diese Weise hätte man die Anzahl der integrierten Schaltkreise im Computer maximal reduziert. Nur halb soviel wie in einem schnellen PC und ein Zehntel der Chips in einer Workstation.

Motorolas Prozessorauswahl

NeXT arbeitet mit Motorola eng zusammen. Drei Motorola-Prozessoren sind im NeXT Computer verbaut (ab 20:50). Eine 68030 CPU, ein Coprozessor und ein 10 MIPS Digital Signal Prozessor (DSP56001), die alle mit 25 MHz laufen. 60 MB RAM (1 MB RAM Chips) sind maximal möglich. Angeblich bietet das Motherboard zwölf (?) IO Prozessoren, jeder mit seinem eigenen DMA-Kanal:

  • einer für die Backplane. Das Motherboard besetzte eine der vier Anschlussleisten der Backplane,
  • Jeweils einer für die Seriellen Ports, für den Drucker, für den DSP,
  • zwei dann jeweils für Audio, für die Festplatte, für das Netzwerk,
  • und schließlich einer für die Grafik.

NeXT verbaute Audio-Hardware, die eine Stereo-Ausgabe in voller CD-Qualität erlaubte (ab 22:25). Ein eingebautes Mikrofon zur Digitalisierung von Sprache über den DSP (Frontend-Processing) war vorhanden. Auch die Netzwerkverbindung wird über den DSP gesteuert.

Weiteres Highlight der Architektur war laut Steve Jobs ein 32bit-Ethernet-Anschluss. Ein Printer Port ist als SCSI-Port nach außen geführt. Und den DSP konnte man auch über einen eigenen Port direkt ansteuern.

Die Motherboard-Fabrik

Steve Jobs war ganz besonders stolz auf das seiner Aussage nach schönste Motherboard der Welt (ab 25:15). Es wurde komplett automatisiert bestückt in einer automatisierten Fabrik von NeXT. Und das zelebriert Steve Jobs mit einem emotionalen Film (ab 28:10). Fanfaren ertönen, um die großartigen Ingenieursleistungen zu betonen. Eine tiefe Männerstimme kündigt jeden nächsten Schritt im Fertigungsprozess mit „NeXT“ an.

Das Motherboard eines NeXTcube
Das Motherboard eines NeXT Computer (Quelle: inexhibit.com)

Diese Fertigungsfabrik konnte nie wirklich ausgelastet werden, da NeXT Computer nie in so hohen Stückzahlen produziert wurden, wie eigentlich erwartet und geplant.

Der NeXT Computer (ab 34:38) ist ein schwarzer Würfel mit einer Kantenlänge von 1 Fuß (30 cm). Das Netzteil kommt mit jedem Stromnetz auf der Welt klar. Man benötigt nur das richtige Stromkabel. Im Gehäuse ist Platz für zwei 5 1/4 Zoll große Massenspeicher. Eines davon ist ein Gerät, was Steve Jobs ganz besonders im späteren Verlauf der Keynote promotet: ein magneto-optischer Massenspeicher.

NeXT hat sein Megapixel-Display selbst gebaut mit einem speziellen Stand, der den Monitor auf die richtige Höhe und Winkel heben kann (ab 36:25).

Auf der Rückseite des Displays gibt es einen Stereo-Kopfhörerausgang, goldplattierte Line Out-Anschlüsse für die Anbindung an eine Stereoanlage, Maus, Tastatur und Mikrofon. NeXT Computer und Monitor sind mit einem 3 Meter langen Kabel verbunden. Auch der Strom wird über das Kabel an den Monitor geliefert.

Die Printerstrategie

Wenn man einmal die Ausgabe eines Laserprinters gesehen hat, dann möchte man nichts anderes mehr haben. NeXT hat deshalb passend zu seinem ersten Rechner auch einen eigenen Laserprinter veröffentlicht (ab 38:15). Er hat nur 60% der Größe normaler Laserprinter, bietet vollständige PostScript-Ausgabe. Er hat eine doppelt so hohe Druckauflösung (400 dpi, umschaltbar auf 300 dpi) gegenüber jedem anderen Laserprinter auf dem Markt und einen vergleichsweise günstigen Preis.

Der NeXT Laserprinter
Der NeXT Laserprinter (Quelle: inexhibit.com)

Präsentation des neuen NeXT Systems

Danach kommt die Präsentation des neuen NeXT-Systems. Steve Jobs macht es ähnlich wie bei der Vorstellung des ersten Macintoshs und schaltet den Rechner erstmal an. Er nennt seinen NeXT Computer „den ersten Computer der 90er Jahre(ab 40:28). Das Publikum folgt gespannt der Präsentation auf dem Screen. Ein Macintosh ähnliches Schreibprogramm schreibt einen Text (ab 41:26) bevor der Screen in einer Animation zusammenbricht und danach eine futuristische Ansammlung von Fenstern mit animierten Sequenzen von Atommodellen, scrollenden Text und anderen animierten Objekten erscheint (ab 42:39). Ich nehme an, daß dabei bombastischer Stereo-Sound läuft, der aber von YouTube rausgeschnitten worden ist.

Leider ist aufgrund der schlechten Qualität des Videos kaum was zu erkennen. Wirklich sehr schade.

Und zum Abschluss der Hardware-Präsentation kommt Steve mit seinem neuen Massenspeicher um die Ecke. Er stellt ein magneto-optisches Laufwerk vor, das Lese- und Schreibvorgänge erlaubt (ab 44:41). Laut Steve ist dies eine Eigenentwicklung und erlaubt den Einsatz von Wechselspeichermedien mit 250MB Kapazität, die weniger als 50$ pro Medium kosten würden. Laut Steve ist das die Zukunft, wenn man all seine jemals erstellten Daten auf einem Laufwerk speichern und mitnehmen kann, um es in den nächsten Rechner einzustecken und zu verwenden.

Erstes Publikums-Feedback

Damit entläßt er sein Publikum in den Foyer-Bereich, wo sie an bereitgestellten Maschinen alles ausprobieren können (ab 47:10). Nach dieser Breakout-Session wird die Präsentation 20 Minuten später fortgesetzt .

Die erste Frage von Steve an sein Publikum: „So what you think?(ab 49:00) wird von begeistertem Applaus beantwortet. Er weist darauf hin, daß er seinem Publikum zwei Dinge mit dieser Breakout-Session erlauben wollte. Zum einen die großartige Qualität des Megapixel-Displays und zum anderen das tolle Design von Hartmus Esslingers Firma frog design zu sehen. Er berichtet auch von seinem Besuch im Studio von Esslinger (ab 50:03), um den ersten Entwurf des Cubes präsentiert zu bekommen.

NeXTSTEP – das Betriebssystem der Zukunft

Dann kommt er auf die Arbeit an dem Betriebssystem zu sprechen (ab 51:00), das einerseits so mächtig wie Unix werden sollte, aber auch von normalen Sterblichen genutzt werden sollte.

NeXTStep läuft auf einem NeXTcube
NeXTSTEP läuft auf einem NeXT Computer (Quelle: inexhibit.com)

Seiner Aussage nach ist zwar mit den grafischen Benutzeroberflächen die Benutzung durch die Anwender viel einfacher geworden, aber für die Entwickler ist es viel schwieriger geworden, Applikationen für diese grafischen Benutzeroberflächen zu schreiben.

Deshalb will NeXT den Softwareentwicklungsprozess schneller und einfacher machen (ab 53:40). NeXT hat eine objektorientierte Technologie namens Application Kit und Interface Builder entwickelt, das den Aufwand für die Erstellung der Benutzerführung signifikant reduziert. Und darauf verwendet er die nächste Zeit seiner Präsentation.

Das Betriebssystem basiert auf einem Mach-Kernel und ist voll kompatibel mit Berkley Unix 4.3 (ab 55:14). Sie haben eine Partnerschaft mit Adobe abgeschlossen (ab 55:35), um Display Postscript zu ermöglichen. Sie nennen ihr Betriebssystem NeXTSTEP (ab 56:57). Danach beginnt er eine Live-Demo auf der Bühne (ab 57:25).

Die Live-Demo von NeXTSTEP

Laut Steve Jobs gibt es zwei Gesetze für Live-Demonstrationen:

  1. Live Demos always crash“,
  2. die Wahrscheinlichkeit, daß eine Demo scheitert, steigt mit der Anzahl der Personen, die der Demo folgen.

Händereibend geht er zu seinem Demonstrationsrechner (ab 57:55). Die Maschine kann entweder von der Disk oder vom Netzwerk booten. Leider kann man nichts in diesem Video sehen.

Aber Steve ist der geborene Demonstrator. Er macht es wirklich gut und mit viel Humor (ab 58:35). Wir können seiner Demonstration durch seine Erläuterungen folgen. Und es gibt viel zu erläutern. Einer der sichtbarsten Unterschiede beim NeXTSTEP sind bewegbare Menus (ab 01:00:30), die überall auf dem Desktop abgelegt werden können. Angeblich wollen User genau das haben. Später bei Mac OS X wird wieder alles in die Menuleiste gelegt und Menüeinträge sind nicht frei plazierbar.

Er stellt das Dock vor (ab 01:01:22), welches auch später im Mac OS X seine Wiederverwendung findet. Und wenn man heute Windows 11 sieht, dann hat auch Microsoft mittlerweile das Dock als ein hilfreiches Element der Benutzerführung adoptiert.

Statt eines Papierkorbs wird ein Schwarzes Loch zum Löschen von Objekten verwendet (ab 01:02:20). Lacher vom Publikum.

Am Beispiel eines Programmes mit Stopuhren (ab 01:02:50), was innerhalb einer Stunde geschrieben wurde, zeigt er die Vorteile der objektorientierten Programmierung und der Wiederverwendung von Objekten.

Vorstellung des Interface Builder

Dann zeigt er den Einsatz des Interface Builders (01:04:35). Das besondere ist Drag und Drop von Objekten aus dem Application Kit. Auch weist er daraufhin, dass es in Zukunft große Libraries von Objekten geben wird, die jeder benutzen kann. Und die jeder erweitern kann mit seinen selbst entwickelten Objekten.

Die nächsten Minuten seiner Präsentation sind im Video nicht wirklich sichtbar. Man hört nur seine Stimme und seine Erläuterung, wie er Objekte mit speziellen Bedienelementen verbindet. Daraus ist es ihm möglich in kürzester Zeit interaktive graphische Applikationen zu erstellen. Sehr beeindruckend, wenn man die damalige Zeit berücksichtigt. Heute ist dies Standard. Damals hat alles mit dieser Präsentation begonnen.

Die von ihm gewählten Beispiele kombinieren komplexe Modelle, die Grafik und Sound zur Präsentation nutzen.

Anwendungen für Higher Education

Danach lädt er Dr. Richard Crandall, Chief Scientist bei NeXT Inc, auf die Bühne (ab 01:13:50), der ein paar Demos aufzeigt, die in einem Bruchteil der Zeit gebaut worden sind im Vergleich zu Entwicklungsumgebungen auf anderen Maschinen. Außerdem sollen dies praxisnahe Beispiele von Applikationen sein, die im Bereich der Höheren Bildungseinrichtungen entwickelt und genutzt werden. Er weist immer wieder darauf hin wie leistungsfähig und schnell die Architektur bei der Anwendung dieser Applikationen ist. Vor allem als er in Mathematica entwickelte Routinen einfach in seine Berechnungen einbinden kann. Ein wirklich sichtbarer Teil seiner Präsentation ist die Visualisierung der Analyse von Geräuschen (ab 01:24:50), die vom DSP in Echtzeit digitalisiert werden.

Stereo Sound in CD Qualität

Danach kommt Steve wieder auf die Bühne (ab 01:27:20). Er möchte auf den Sound des NeXTs aufmerksam machen. Er spielt vier Tracks generiert durch den NeXT Computer ab.

  • Regen und Gewitter
  • „I have a dream“ nicht hörbar, aus Copyright-Gründen
  • die bekannteste Rede von JFK
  • Aufnahme von der Mondlandung.

Er nimmt seine Stimme und den Applaus des Publikums auf (ab 01:32:25).

Danach zeigt er auf, welche Wissensinhalte NeXT schon lizensiert hat, damit Nutzer eines NeXT Computers auf diese Inhalte frei zugreifen können. Dies sind z.B. alle Werke von William Shakespeare (ab 01:34:40). Diese können alle auf einem optischen Medium gespeichert werden und von jedem Benutzer eines NeXT Computers in seine aktuelle Arbeit eingebunden werden, wie z.B. ein Thesaurus.

Write Now ist eine mit dem Rechner gebundelte Textverarbeitung (ab 01:37:09). Ein Spelling Checker, ein Lexikon und ein Thesaurus sind alle bereits eingebunden. Er macht eine Volltextsuche auf eine Textstelle in den gesammelten Werken von William Shakespeare und zeigt damit auf, wie schnell alle relevanten Textstellen gefunden werden können.

Ein Beispiel zeigt die dynamische Erstellung und Wiedergabe von synthetisch erzeugter Musik in hoher Qualität über die CPU und den DSP (ab 01:40:40).

Zusammenfassung und Preise

Danach zählt er die ganzen Features des NeXT-Bundles nochmal auf (ab 01:44:20). Auch Mathematica wird mitgeliefert. Als SQL Datenbank Server-Software ist Sybase dabei.

Schließlich kommt er auf die Preise zu sprechen. Die kleine Konfiguration kostet 6500$ (ab 01:47:30). Der Laserdrucker wird 2000$ kosten. Festplatten 330MB: 2000$ und 660 MB: 4000$. Rollouttermin sei im November 1988. Im Q2/1989 wollen sie V1.0 des Betriebssystems rausbringen.

Danach stellt er Partner vor, die Testimonials einsprechen:

  • Adobe (ab 01:50:45)
  • Motorola (ab 01:51:32)
  • Canon (ab 01:52:30)
  • Wolfram (ab 01:53:20)
  • Sybase (ab 01:54:20)
  • Franz Inc. (ab 01:55:00)

Er bricht aufgrund der fortgeschrittenen Zeit die Testimonials ab. Stattdessen präsentiert er die Partnerschaft mit IBM (ab 01:56:24). Auf deren Maschinen soll in Zukunft auch NeXTSTEP laufen.

Er beendet die Keynote mit einem Konzert eines NeXT Computers mit einem Violinisten des San Francisco Symphonieorchesters (ab 01:58:45). Der Next klingt nach einem sehr synthetischen Cembalo und der Kontrast zur analogen Violine ist schon sehr ungewöhnlich.

Die Pressekonferenz danach

Damit endet die Präsentation nach über zwei Stunden. Steve Jobs verabschiedet sich von seinem Publikum. Es endet aber nicht das Video. Das gesamte Video war bis jetzt eher dunkel und man konnte nicht viel erkennen. Im Anschluss sieht man nochmal einen Auftritt von Steve Jobs in der Pressekonferenz danach (ab 02:06:22). Er stellt Ross Perot und ausgewählte Mitglieder seines NeXT Teams vor. Leider gibt es immer wieder Abbrüche des Sounds. Dann fragt Steve Jobs in die Runde „What should we do?“

Die erste Frage geht um die Anzahl der Farben des Computers (ab 02:08:40). Er laviert etwas um die Antwort herum, daß der NeXT im Moment nur Schwarz und Weiß kann, aber dies in hoher Auflösung. Er kündigt Graustufen und Farbgrafik für das nächste Jahr an.

Die zweite Frage geht um die Softwareverteilung auf optischen Medien (ab 02:10:20). Steve Jobs bestätigt, daß er erwartet, daß die Software von Softwarefirmen in Zukunft so verteilt wird. Die Kosten von 50$ pro Medium seien bei den Preisen für professionelle Software eher zu vernachlässigen.

Die nächsten Fragen werden von Steve nicht mehr wiederholt und er beantwortet sie alle direkt. Immer wieder betont er, daß Higher Education ein riesiger Markt ist.

Beeindruckendes Auftreten vor der Presse

Während der ganzen Zeit stehen NeXT Kollegen hinter Steve Jobs und sagen kein einziges Wort. Es ist ziemlich beeindruckend den jungen Steve Jobs zu sehen, wie er geduldig eine Frage nach der anderen beantwortet. Sehr, sehr cool. Trotzdem ist sein Auftreten schon sehr anders zu den Keynotes viele Jahre später. Mit Anzug, Krawatte und langen Haaren (Vokuhila). Typisch 80er.

Zum Schluss darf noch Ross Perot seine Bewunderung für Steve Jobs und sein Team und für die großartige Präsentation des NeXT Computers äußern (ab 02:32:24).

Am Ende wird Steve Jobs noch gefragt, wie er sich als Studienabbrecher gegenüber seiner Zielgruppe der Höheren Bildungseinrichtungen fühlt. „Take your classes and learn“ ist seine Antwort. So habe er es auch im Reed College gemacht. Und er schließt damit, dass er dieses fortgeschrittene Produkt nicht ohne seine Ansprechpartner in diesen Instituten hätte herausbringen können.

Fazit

Steve Jobs hat innerhalb von drei Jahren eine neue Computerplattform, ein auf Unix basierendes neues Betriebssystem, eine objektorientierte und komfortable Entwicklungsplattform und Software-Libraries mit einer neuen grafischen Benutzeroberfläche sowie dazugehöriger Software entwickelt und marktreif gemacht.

Der Stolz darüber, dies mit seinem Team geschafft zu haben ist ihm in dieser Keynote deutlich anzusehen. Diese Keynote ist ein zweistündiges Lehrstück darüber wie man eine interessante und inspirierende Präsentation macht.

Dass der Erfolg nicht automatisch kommt, wenn man alles so gut vorbereitet hat, ist auch eine Erfahrung, wie die Geschichte zeigt. Die NeXT-Hardware ist nicht in großen Stückzahlen verkauft worden. Nicht der NeXT Computer von 1988, der NeXTcube ab 1989 und auch nicht die NeXTstation. Man vermutet, dass nur 50000 NeXT Rechner verkauft wurden.

Manchmal sind es auch die exzentrischen Entscheidungen von Steve Jobs, die den Vertrieb seiner Produkte belastet haben. Beim NeXT Computer war es die Verwendung eines magneto-optischen Speichermediums mit schlechten mittleren Zugriffszeiten (98ms). Dadurch wurde das Lesen und Beschreiben dieser Medien für die damalige Zeit unglaublich langsam. Deshalb wurde der NeXT Computer immer mit einer Festplatte zusätzlich bestellt. Er wurde dadurch sehr teuer. Der Heise-Verlag hat für eine solche Maschine mehr als 20000 DM bezahlt.

Nach einigen Jahren fokussierte NeXT sich auf sein Betriebssystem NeXTSTEP und brachte es auf unterschiedlichsten Plattformen zum Laufen.

Das Erbe von NeXTSTEP

Auch wenn die Geschichte aufzeigt, dass NeXT kommerziell nicht erfolgreich war, so hinterließ Steve Jobs eine Visitenkarte, die ihn für weitere höhere Aufgaben vormerkte. NeXTSTEP wurde schließlich die Betriebssystem-Plattform für Mac OS X und iOS.

Der NeXTcube von Tim Berners-Lee
Der NeXT Computer von Tim Berners-Lee (Quelle: inexhibit.com)

Und ein NeXT Computer im schweizerischen CERN war die Plattform, auf dem Tim Berners-Lee die Grundlagen für das Internet legte.

In der neuesten Ausgabe der LOAD des Vereins zum Erhalt klassischer Computer (VzEkC) gibt es auch eine Strecke zu Workstations der 80er Jahre und dazu einen interessanten Abschnitt zum NeXT. Unbedingt lesenswert.

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