Jedes Jahr rund um meinen Geburtstag lädt Apple die Entwicklergemeinde nach Kalifornien zum Hochamt für Apples Softwareentwicklung. Die Worldwide Developer Conference (WWDC) öffnet dann ihre Türen für die Profis und auch die Anfänger unter den Softwareentwicklern. Mehrere Tage lang führen Apple Ingenieure ihre Kunden in die Geheimnisse der neuen Software-Frameworks ein. Heute hat die Keynote zur WWDC 2020 stattgefunden und ich war dabei.

Dieses Jahr ist anders. Diesmal tummeln sich nicht tausende junge und dynamische Nerds rund um den Veranstaltungsort. Corona hat da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Diesmal ist die Veranstaltung rein virtuell und ist auch um ca. zwei Wochen nach hinten verschoben worden. Trotzdem waren die Erwartungen auch dieses Jahr hoch. Apple hat seine Hausaufgaben wirklich gut gemacht und auch eine wichtige strategische Neuausrichtung angekündigt. Mit dieser möchte ich anfangen.
macOS wird auf ARM-Prozessoren laufen
Die Auguren haben es schon vorhergesehen, dass macOS in Zukunft auf Apples ARM Prozessoren laufen wird. Apple bezeichnete diese Prozessoren vorläufig generell als „Apple Silicone“. Im ersten Developer Kit ist ein A12Z-Prozessor in einen Mac mini eingebaut, der bereits nach der WWDC an registrierte Entwickler verteilt werden soll. Die ersten offiziell verfügbaren Macs mit „Apple Silicon“ sollen Ende 2020 auf den Markt kommen.

Tim Cook stellt die neue Richtung vor (Quelle: Apple Keynote WWDC 2020)
Ming-Chi Kuo vermutet, dass zuerst das MacBook Pro und dann der iMac damit ausgestattet wird. Ich persönlich kann mich dieser Meinung nicht anschließen, da ich glaube, dass „Apple Silicon“ erstmal in den wenig leistungsfähigen Macs wie dem Mac Mini oder dem MacBook Air zum Einsatz kommen wird. Es wäre schon ein mutiges Signal, wenn Apple bereits mit seinem ersten „Apple Silicon“ die Leistung eines Intel Core i5 oder Core i7 liefern könnte. Und die eigene integrierte Grafiklösung einer dedizierten Grafiklösung von AMD Paroli bieten könnte.
Auch weiß ich nicht, ob eine erneute Insellösung Apple helfen würde, einen größeren Marktanteil zu erreichen. Die Intel-Plattform ist halt der sichere Weg in die Zukunft. Die ARM-Plattform auf dem Mac ist wirklich mutig.
Aber für die Profis hat Apple angekündigt, dass es auch weiterhin Macs mit Intel-Prozessortechnik geben wird. Das ist das mindeste, was man als Investitionsschutz für Profis tun muss.
ARM auf Mac? iOS und iPadOS Apps auf dem Mac?
Für die Consumer unter uns ist allerdings der ARM-Schritt interessant, da mit dieser Plattform auch die riesige Anzahl an iOS- und iPadOS-Software auf dem Mac einfach genutzt werden kann. Was für eine Aussicht. Vielleicht werden die Consumer gerade deshalb den Marktanteil der Mac-Plattform erhöhen, genauso wie die ChromeOS-Kunden dies seit Jahren mit dem Kauf von ChromeBooks machen.
Aus Softwaresicht besteht die Chance, dass damit die macOS- und die iPadOS-Software näher zusammenwachsen. Die iPadOS-Software wird erwachsener und erhält dann alle Features wie die „große“ macOS-Software. Und die macOS-Softwaresammlung bekommt einen gehörigen Schub und Inspiration von den 100.000den Apps von der iOS- und der iPadOS-Sparte. Nur wie sollen die auf dem Mac ohne Touch Controls bedient werden. Das gibt wieder eine Riesen-Herausforderung für die App-Entwickler.
Und für alle, die nicht schnell genug ihre Software anpassen können gibt es wieder Rosetta. Diesmal die Version 2 nachdem die erste beim Wechsel auf die Intel-Plattform unterstützt hat. Für alle anderen gibt es Universal Binaries, die ihre Software schnell umstellen können.

Für mich zeigt sich dann aber immer deutlicher, dass Windows das einzige Profi-OS bleibt, bei dem das Maximum an Flexibilität besteht. In meinem Freundeskreis haben sich bereits zwei junge Leute eigene sehr leistungsfähige Desktop-PCs zusammengebaut, weil die Mac-Plattform sie nicht bei ihren Use Cases optimal unterstützte.
iOS, iPadOS, macOS, WatchOS, tvOS
Wie seit einigen Jahren üblich bringt Apple jedes Jahr für all seine Plattformen ein OS-Upgrade raus. Und es werden immer mehr Plattformen. Fast kann man auch von einem speziellen OS für Siri sprechen und auch das AirPod Pro bekommt ein Upgrade mit 3D-Raumklang-Features.
iOS und iPadOS haben viele neue nette Features bekommen. Die erweiterten Widgets und die App-Gruppierungen auf dem Homescreen sind Weiterentwicklungen, die es schon immer bei Android gab. Eine nette Spielerei. Wird mit Sicherheit Spaß machen.
WatchOS bekommt mehr Komplikationen auf dem Watch Face. Auch kann man Watch Face-Designs weitergeben. Wer es braucht wird glücklich werden. Und die Uhr wird noch weiter auf Fitness ausgerichtet, was auch die Umbenennung der Aktivity-App zu Fitness-App deutlich wird.

tvOS bekommt mehr HomeKit-Integration. Kamerabilder werden in das laufende Programm einfach eingeblendet. HomeKit ist umgestaltet worden und scheint intuitiver zu bedienen sein. HomeKit Secure Video kennt endlich aktive Zonen, die man konfigurieren kann.

macOS scheint mit dem Wechsel auf „Apple Silicon“ den größten Wandel erfahren zu haben. Unter der Haube ist es zum ersten Mal nach 20 Jahren kein macOS X mehr. Es ist nunmehr ein macOS 11. Auch vom Look and Feel ist einiges umgestaltet worden. Nach Yosemite ist es das erste Mal, dass UI-Designänderungen so weitreichend gemacht wurden. Auch hat macOS einiges von iPadOS, wie z.B. die Seitenleisten, gelernt.

Apple Keynote mal anders
Apple hat aus der Not eine Tugend gemacht. Wie Marques Brownlee anmerkte, war diese Keynote eine A-Grade Videoproduktion. Apple war immer die Firma, die Keynotes immer richtig professionell mit Publikum durchgeführt hat. Da stimmte alles, da wirkte wenig aufgesetzt. Wenn man das mit Keynotes von Samsung, Sony, Google oder anderen vergleicht, dann ist Apple einfach ganz weit vorne. Nur Microsoft kann mit Panos Panay mithalten, der eine coole Socke auf der Bühne ist. Den meisten Menschen ist das nicht gegeben. Craig Federighi gehört dazu.

Und wie sie da fast zwei Stunden durch all das geführt haben, was ich oben kurz zusammengefasst habe, ist schon bemerkenswert. Sie haben das Medium Video optimal eingesetzt und alle Freiheitsgrade genutzt. Großartig waren die Drohnenflüge durch den leeren Campus. Vor allem der Flug in die geheimen Räume, wo die neuen Technologien ausgedacht werden, hat mir sehr gut gefallen.
Fazit
Ich buche schon mal den ersten Mac mini mit „Apple Silicon“ für mich.

Er wird meinen Mac Mini von 2010 wahrscheinlich bestens ersetzen können. Ansonsten hat Apple mal wieder geliefert. Viel wirklich neues war nicht dabei. Fast alles ist im Vorfeld schon geleaked worden. Ob der Wechsel auf die ARM-Plattform auch für den Mac wirklich erforderlich war, wird erst die Zukunft zeigen. Nur wenn das Versprechen auf performante, stromsparende und professionelle Rechner mit dem besten OS und den besten Apps gehalten wird, dann hat Apple alles richtig gemacht. Wenn aber Intel wieder die Prozessorbranche mit einem neuen Tick (oder ist es Tock) dominiert, dann wird sich Apple wünschen, dass sie nicht diesen müden Riesen geweckt hätten.