Dies ist ein Beitrag über ein spezielles Buch von einem speziellen Autor. Für das Oldenburger Computer-Museum (OCM) ist er der wissenschaftliche Berater. Sein Buch Resume ist in einer zweiten Auflage erschienen. Es ist der OCM Ausstellungskatalog von Dr. Dr. Stefan Höltgen. Er ist intensiv mit der Retrocomputing-Szene verbunden. Über dieses Buch konnte ich das Computermuseum in Oldenburg in der Pandemie mal ganz anders (remote) erleben.
Der Autor

In einem meiner Beiträge über den Begriff Retrocomputing sind mir bereits wissenschaftliche Artikel von Stefan Höltgen aufgefallen. Ganz besonders gespannt war ich auf seine Dissertation Archäologie der frühen Mikrocomputer und ihrer Programmierung. Am 4.3.2020 hat er in dem VzEkC-Forum seine abgeschlossene Dissertation zum Download angeboten.
Er ist Medienwissenschaftler und Journalist. Er ist Co-Editor der Buchreihe Computerarchäologie, die im Projektverlag aufgelegt wurde. Im Rahmen seiner Dissertation hat er mit dem Oldenburger Computer-Museum zusammengearbeitet und dadurch ist das Buch Resume entstanden, was auch als Ausstellungskatalog für das OCM gilt. Die Auflage zwei berücksichtigt die neuen Ausstellungsstücke und weitere Änderungen im Museum. Über dieses Buch und meine Erfahrungen möchte ich in diesem Beitrag schreiben.
Das Oldenburger Computer-Museum
Das Oldenburger Computer-Museum (OCM) gibt es bereits seit 2008. Die ersten Bestandteile der Sammlung kamen von Thiemo Eddiks, der auch Kurator des Museums ist. Das OCM wird über einen Verein geführt. Die Vereinsmitglieder kümmern sich um die Ausstellung und präsentieren diese oder entwickeln sie in ihrer Freizeit weiter. Es ist eine Ausstellung, die ich schon lange besuchen möchte. Leider sind die Öffnungszeiten so ungünstig (Dienstags 18-21 Uhr), dass ein Besuch durch mich fast unmöglich ist.
Umso schöner war es während der Pandemiezeit, den Mitgliedern des Vereins, Thiemo Eddiks und seinen Mitstreitern, in regelmäßigen Facebook Livestreams folgen zu können. Sie stellten alle zwei Wochen Themen aus dem Oldenburger Computer-Museum vor und man konnte interaktiv daran teilnehmen.
Dies war ein schöner Ersatz für einen richtigen Besuch im Museum. Vielleicht ist das auch eine innovative Präsentationsform für ein digitales Museum wie mein eigenes.
Für ein Museum mit öffentlichen Räumlichkeiten mitten in Oldenburg ist es aber traurig, dass die Besuchszeiten so limitiert sind. Ich habe Verständnis für die berufliche und private Situation der Vereinsmitglieder. Aber da ziehe ich doch persönlich das Öffnungskonzept des Homecomputermuseums in Helmond vor. Das hat fünf Tage die Woche geöffnet. Ich habe es an einem Sonntag besucht und habe die drei Stunden genossen.
Ästhetische Präsentation
Was ich aber aufgrund der Facebook Livestreams erkennen konnte, ist die schmucke Aufbereitung der Räume und der Ausstellungsstücke. Man sieht, dass die Vereinsmitglieder eine sehr ästhetische Gestaltung angestrebt haben. Ich muss zugeben, das ist ihnen wirklich gelungen.
Die Wände, Tische und Stühle sind in weiß gehalten. Alle Installationen beinhalten ein vollständiges Setup an Dokumentation zu dem Computer und auch Anleitungen zur Bedienung. Mit Programmierbeispielen kann man jeden Computer dazu bringen ein optisches oder akustisches Ergebnis zu produzieren. Damit können die Besucher die Programmierung der damaligen Computer kennenlernen. Aus pädagogischer Sicht ist dieser Ansatz höchst wertvoll. Der OCM Ausstellungskatalog Resume kann auch im Museum gekauft werden. Alle Programmierbeispiele sind aber auch am Platz verfügbar und müssen nicht aus dem Buch eingetippt werden.
Wissenschaftlicher Beirat des Museums
Seit 2015 ist Stefan Höltgens wissenschaftlicher Beirat des Oldenburger Computer-Museums. Er hat das Buch zur Ausstellung zusammen mit den Vereinsmitgliedern entwickelt. Eine Hands-on Ausstellung, so wie sie in Oldenburg gedacht ist, benötigt natürlich auch eine Anleitung, wie man die Computer bedient. Durch Programmierbeispiele für viele dort ausgestellte Computer wird ein einfacher Einstieg ermöglicht. Dies erinnert auch sehr an die damaligen Zeiten, als man Listings aus Computermagazinen abtippte. Ah, was für schöne Erinnerungen.
Am 26.10.2021 trat Stefan Höltgen im Facebook Livestream des Oldenburger Computer-Museums auf und stellte sein Buch Resume vor.
Er erklärt die Anwendbarkeit des Buchs in seiner zweiten Auflage für die Ausstellung. Darüber hinaus weist er darauf hin, dass dieses Buch auch ohne den Besuch des Museums gelesen werden sollte. Es sind viele interessante Hintergrundberichte nicht nur zu Computern, sondern auch zu Persönlichkeiten der Computergeschichte enthalten. Als Wissenschaftler mit Leidenschaft für historische Computer ist das OCM für ihn auch eine Experimentierwiese. Heute ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Medienwissenschaft der Uni Bonn. Vorher war er auch Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Medientheorien der Humboldt-Universität zu Berlin. Er kuratierte dort die technischen Sammlungen im Signallabor des Fachgebiets Medienwissenschaft.
Resume 2.0
Die erste Ausgabe des Buches Resume kam bereits 2016 auf den Markt. Es hatte einen Umfang von 270 Seiten. Die zweite Auflage wurde 2021 veröffentlicht und bietet jetzt Informationen auf 365 Seiten. Ich wurde aufmerksam auf dieses Buch während der Pandemie, als Stefan Höltgen im OCM sein Buch in einem Facebook Livestream auch sehr Hands-on vorstellte. Wenige Minuten später hatte ich es schon bestellt.

Der Untertitel Hands-on Retrocomputing ist schon ein deutlicher Hinweis darauf, dass dieses Buch aktiv in der Beschäftigung mit alten Computern eingebunden werden soll.
Aufbau des Buchs
Das Buch ist in Kapitel zu einzelnen Computern und sogenannten GOSUB-Kapiteln aufgeteilt. Eine schöne Wortspielerei mit einem BASIC-Keyword, das den Aufruf einer Subroutine bezeichnet. Genauso kann man sich auch diese GOSUB-Kapitel vorstellen. Es sind logisch geschlossene Informationseinheiten zur Computergeschichte, zu Begriffen aus der Computerwelt, zu Firmen, zu Produkten. Aber interessanterweise gibt es keine GOSUBs zu Persönlichkeiten. Die werden dann in den einzelnen Firmen- oder Computerbeschreibungen erwähnt. Wenn der interessierte Leser mehr erfahren will, dann kann er zu diesen Kapiteln springen. Ein schönes Detail ist, dass am Ende jedes GOSUB-Kapitel der RETURN-Befehl gedruckt ist. Damit soll man dann wieder zu dem Punkt zurückspringen, von dem man dieses Kapitel angesprungen hat.
Zwei Kapitel sind mit Hands on! überschrieben. Dort sind auf 15 und 30 Minuten Länge konzipierte Experimente mit verschiedenen Computern im OCM beschrieben. Damit wird der Hands-on Charakter der Ausstellung unterstrichen. Stefan Höltgen ist genauso wie die Vereinsmitglieder des Oldenburger Computer-Museums der Überzeugung, dass Computer angeschaltet werden müssen, damit sie ihren nostalgischen Zauber verbreiten. Ausgeschaltet seien sie nur Hardware.
Da bin ich persönlich anderer Meinung, da auch die Hardware allein viel nostalgische Erinnerungen bringt. Tatsächlich sehe ich die Beschäftigung mit diesen Computern vor dem Hintergrund moderner Computertechnik, Software und Services nur noch als Anachronismus. Aber ich bin froh, dass es Menschen gibt, die ihre Zeit der Inbetriebhaltung dieser Geräte widmen.
Eine wesentliche Neuerung in der zweiten Auflage ist ein intensiv ausgearbeitetes Schlagwortverzeichnis. Wer also analog suchen möchte, der wird durch dieses Hilfsmittel bestmöglich unterstützt.
Mein persönlicher Eindruck zum Buch
Wegen meiner Leidenschaft für Computerhistorie und -historien spricht mich natürlich schon das erste Kapitel zur Vorgeschichte des Homecomputings sehr an. Der Unterschied von Analog- und Digitalcomputern wird schön dargestellt. Einen Analogcomputer konnte ich schon beim Retro Computing Festival 2022 im HNF sehen. Alle anderen Computer, mit denen ich mich mein Leben beschäftigt habe sind dagegen Digitalcomputer.
Und viele Computer, über die ich in meinem Blog geschrieben habe, finden sich auch in diesem Buch mit schön strukturierten Kapiteln wieder. Natürlich sind meine Blogbeiträge über diese Computer ausführlicher und manchmal vermisse ich im Buch ein wenig Tiefe. Aber der Schwerpunkt dieses Buches ist die Vermittlung von Anwendungsmöglichkeiten in Form von Programmen, die man im Museum (oder zu Hause) eingeben kann.
Neben den Kapiteln zu den Computern gibt es auch immer ein Folgekapitel mit Programmierbeispielen. Den Abschluss bildet dann häufig ein Kapitel über den Hersteller des Computers und seine Geschichte. Beispielsweise wird ab Seite 64 über den Apple II, ab Seite 68 über BASIC-Programme für den Apple II und ab Seite 70 über die Firma Apple geschrieben.
Neu hinzugekommen sind in der zweiten Auflage Kapitel zum Apple I, zum Commodore KIM und zur PDP-8/e. Die Homecomputer-Dreifaltigkeit aus dem Jahr 1977 (Apple II, Commodore PET und Tandy TRS-80) ist enthalten. Ein gesondertes Kapitel zur Firma Tandy fehlt. Die Informationen zur Firma sind im TRS-80 Computer-Kapitel enthalten.
Zur Programmiersprache BASIC, die bei fast jedem Homecomputer der 70er und 80er fest eingebaut war, gibt es ein ausführliches Kapitel. Immerhin sind vor allem Programmierbeispiele in BASIC-Dialekten der unterschiedlichen Computer gelistet.
Das Buch führt uns chronologisch durch die Veröffentlichungsjahre der vorgestellten Homecomputer. Als Sinclair-Fan bin ich von einem doppelseitigem Foto des Sinclair QL im Kapitel zum Spectrum begeistert. Aber der kam erst 1984 auf den Markt.
Auch das Foto der LISA im Kapitel zum Apple Macintosh ist erstmal verwirrend, da die LISA schon 1983 auf den Markt kam. Außerdem war sie nicht kompatibel zum Macintosh, der erst 1984 vorgestellt wurde. Steve Jobs und sein Macintosh haben die LISA kaputt gemacht.
Ich habe auch die Computerwelt der DDR in diesem Buch erklärt bekommen. Ich bin darüber aufgeklärt worden, dass der KC85/3 nicht von Robotron ist, sondern vom VEB Mikroelektronik “Wilhelm Pieck” Mühlhausen im Kombinat Mikroelektronik Erfurt. Puh, was für eine lange Bezeichnung.
Den Schluss des Buches macht ein Kapitel zu unser aller Hobby Retrocomputing. Und wer dann noch 15 bzw. 30 Minuten Zeit und Lust hat mit einem Homecomputer ein paar Aufgaben zu lösen, dem kann ich die Kapitel GOTO 15 und GOTO 30 zum Abschluss empfehlen. Weitere GOTOs gibt es auf der Website der Buchreihe Computerarchäologie.
Fazit
Nachdem ich das meiner Meinung nach beste Homecomputermuseum der Welt besucht habe, fragte ich mich wie das Oldenburger Computer-Museum im Vergleich abschneiden würde. Immerhin decken beide Museen dieselbe Zeitperiode und Ausstellungsstücke ab.
Von der schieren ausgestellten Menge an Computern der 1970er bis 2000er Jahre aus betrachtet hat meiner Meinung nach das OCM klar das Nachsehen. Obwohl wir wissen, dass im Bergwerk, sprich Lager, viel mehr Schätze ungeordnet liegen und auf Wiederentdeckung warten. Das konnten wir in den tollen Facebook Livestreams über das Bergwerk während der Pandemie erleben.
Pädagogisches Konzept
Aber die Masse ist in den Ausstellungsräumen des OCMs nicht der Trumpf. Stattdessen ist es das aufgeräumte, fast cleane Ausstellungskonzept mit der pädagogischen Komponente. Hier lernt man was über die Arbeit mit diesen Computern aus einer Zeit, die für meine Generation so wichtig war. Heutige Generationen erleben Computer vor allem in der Form von Smartphones. Always on – always connected. Vollgestopft mit Software und Daten.
Wie schwierig und zeitaufwändig es war Software in einen solchen Computer zu bringen, kann keiner heute mehr nachvollziehen. Auch ich habe es verdrängt bzw. nostalgisch verklärt.
In einem Hands-on Museum wie dem OCM kann man das perfekt nachvollziehen. Besser als im Homecomputermuseum in Helmond. Dort sind die Computer zwar auch alle nutzbar, aber man wird nicht angeleitet, wie man mit dem Computer umgeht. Ein blinkender Prompt ist selten hilfreich, wenn man einen Computer verstehen will.
Diesen pädagogischen und wissenschaftlichen Ansatz des Retrocomputings, um alte Computer auch heutigen Generationen zugänglich zu machen, haben die Organisatoren des OCM und ihr wissenschaftlicher Beirat Stefan Höltgen konsequent verfolgt. Der OCM Ausstellungskatalog Resume gibt einen hilfreichen Einblick in die Ausstellungskonzepte des Museums.
Vielen Dank für dieses Buch. In Kombination mit den Facebook Livestreams während der Pandemie hat man einen tiefen Remote-Einblick in das Oldenburger Computer-Museum erhalten. Und vielleicht finde ich doch mal die Zeit an einem Dienstag nach 18 Uhr in Oldenburg zu sein. Dann ist das OCM die erste Adresse, die ich ansteuern werde.