Der Sinclair QL war der erste 16 Bit Computer von Sinclair Research. Ein Quantensprung für diese erfolgsverwöhnte Firma. Während alle 16 Bit Konkurrenten auf Maus und graphische Bedienoberfläche (GUI) setzten, war der QL ein konventioneller Tastaturcomputer. Eine kleine innovative Firma und seine Entwickler präsentierten aber ein faszinierendes Konzept für die Bedienung dieses Computers, was auch Mausbedienung beinhaltete. Die Firma hieß Qjump. Der Gründer dieser Firma war Tony Tebby. Er präsentierte das sogenannte QL Pointer Environment, welches eine sehr spezielle Sinclair QL GUI ermöglichte. Tony Tebby ist kein Unbekannter in der Sinclair QL Szene, da er für den Sinclair QL das Betriebssystem QDOS geschrieben hat.
Dieser Beitrag enthält meine Erinnerungen an diese sehr britische Umsetzung einer GUI, die schon sehr anders zu allem war, was wir heute kennen. Dabei greife ich auf die Quellen der umtriebigen QL Community zurück, die auch heute noch, 40 Jahre nach Veröffentlichung, dem QL die Treue schwören.
Das Gute am QL
Als ich mir den Sinclair QL als einen 16-Bit Quantensprung-Nachfolger zu meinen Sinclair ZX81 gekauft habe, waren die ersten Wochen mit diesem Computer eine Offenbarung. Ich fühlte mich, als hätte ich eine ganze Generation übersprungen und wäre ganz vorne mit dabei.
Keine Limitierung mehr durch den Arbeitsspeicher. Standardmäßig waren bereits 128 KB RAM eingebaut. Außerdem war das Laden und Speichern von Daten auf die eingebauten Microdrives rasend schnell im Vergleich zu Kassetten zur Speicherung von Daten. Und dann erst die Grafik.

Ich habe natürlich immer den Monitor-Modus mit F1 ausgewählt und hatte dann luxuriöse und gestochen scharfe 512 mal 256 Bildpunkte mit vier Farben (weiß, rot, grün, schwarz) auf meinem Monitor. Der Bildschirm war in drei Bereiche aufgeteilt. Im linken oberen Fenster erschien das BASIC-Programm. Im rechten oberen Fenster erschien die Ausgabe des BASIC-Programms. Und im unteren Fenster editierte man das Listing oder gab Befehle ein.

Die Gnade des späten Kaufs – MGG ROM
Ich war im Computerhimmel angekommen. Ich hatte einen QL mit der deutschen MGG-ROM Variante gekauft, die bereits ausgereift war. Mit dem deutschen Tastaturlayout hatte ich erstmals die Möglichkeit deutsche Umlaute direkt ohne spezielle Tastenkombinationen einzugeben. Ein C64 konnte das nicht. Die Grafikauflösung erlaubte 85 Zeichen pro Zeile bei der Erstellung von Briefen und Texten. Das eingebaute SuperBASIC war eine der guten BASIC-Varianten am Markt. Vor allem war strukturierte Programmierung mit Prozeduren und Funktionen möglich. Die Anleitung zum SuperBASIC und für die mitgelieferte QL Business Software war großartig. Die Anleitung wurde in einem großen Ordner mitgeliefert. Diesen Ordner habe ich heute immer noch.

Die Business Software deckte viele Office-Funktionalitäten ab. Diese waren
- Quill: die Textverarbeitung
- Easel: für Businessgrafiken
- Archive: die Datenbank
- Abacus: das Spreadsheet-Programm.
Die Firma Psion hat dieses Softwarepaket geschrieben. Eine meiner Meinung nach außergewöhnlich gute Leistung zu dieser Zeit. Psion hat die Software auch auf den IBM PC portiert.
Der QL war seinen Brüdern von Sinclair so weit überlegen.
Das Schlechte am QL
Aber: eine Maus war nicht vorhanden. Dieses fehlende Feature machte den QL weniger zukunftssicher im Vergleich zu seinen 16 Bit Geschwistern von Apple, Atari und Commodore. Die Tastatur war schlecht und bot ein schwammiges Tippgefühl. Der Computer hatte sich am Markt bis zu diesem Zeitpunkt nicht durchgesetzt. Im April 1986 übernahm Amstrad Sinclair und stellte die Produktion des QL schon damals ein. Der Misserfolg des QL und des Elektrofahrrads C5 waren die Sargnägel für Sinclair Research. Mein Gerät wurde von Samsung gebaut und wurde in Deutschland über Vobis noch bis Ende 1986 verkauft.
Software war selten, vor allem auf dem deutschen Markt. Auch in Zeitschriften tauchten nicht viele Listings auf. Das SuperBASIC war nicht vollständig, da Sir Clive Sinclair die Veröffentlichung des QL im Jahr 1984 überhastet durchgezogen hatte. Erst mit SuperToolkit II von Qjump erhielt man die vollständige SuperBASIC-Funktionalität.
Sinclair hatte sich aus Kostengründen für den Motorola 68008 entschieden, dessen Datenbus auf 8bit, sowie der Adressbus auf 20bit reduziert war. Die 16 Bit-Architektur sollte den Rechner eigentlich sehr viel schneller machen, er war allerdings nicht viel schneller als ein 8 Bit-Computer. Wenigstens war er auf 7,5 MHz getaktet.
Die Microdrives waren gegenüber den etablierten Floppy Disk Speichersystemen am Markt klar unterlegen. Mit älteren ROM-Versionen war die Datenspeicherung auf den Microdrives sehr unzuverlässig. Auf meinem QL mit seinem MGG ROM hatte ich zum Glück selten Datenverluste.
Vor diesem Hintergrund war der Sinclair QL jedem anderen „Business Computer“ unterlegen. Sinclair hätte wissen müssen: wenn man nur billige Komponenten verbaut, dann kann man nicht im Businessbereich Erfolg haben. Auch wenn man mit QDOS eines der ersten Betriebssysteme hatte, was präemptives Multitasking bot. Eine Fähigkeit, die der Mac oder auch der PC erst viel später lernten.
Begeisterung trotz aller Schwächen
Was war der Sinclair QL für eine Schönheit in meinen Augen. Der Computer war ein Industriedesign von Rick Dickinson, der auch den Sinclair ZX Spectrum gestaltet hat. Das Design des QL wurde später auch im Sinclair ZX Spectrum+ wiederverwendet. Sein schwarzes, eckiges Gehäuse hat mich immer sehr angesprochen. Auch heute noch ist dieses Design einzigartig schön.
Mit dem SuperBASIC konnten Fenster definiert und Ausgaben in diese Fenster übergeben werden. Und die graphischen Fähigkeiten waren massiv erweitert im Vergleich zu der Generation davor. Damit ließen sich beeindruckende Demos erstellen. Sehr häufig auch direkt aus SuperBASIC heraus, da es viele bereits eingebaute Grafikbefehle gab.
Vermarktung des Sinclair QL
Und wie beeindruckend ist erst die Werbung in Magazinen, die Sinclair auf mehreren Seiten schaltete. Diesen Computer wollte ich einfach haben. Das Marketing hat bestens funktioniert. Ich habe damals jede Anzeige von Sinclair mehrfach verschlungen, weil sie einfach Appetit auf dieses Produkt gemacht hat.

Es gab sogar mehrseitige Broschüren von Sinclair integriert in den Computermagazinen (wie z.B. Your Computer), die auch Produkte wie den Tandata QL Modem Stack in allen Details vorstellten. Der Computer kam erst im August 1984, ein halbes Jahr nach seiner Ankündigung am 12. Januar 1984, für 399£ auf den Markt. Dies entspricht heute 1400€. Ein halbes Jahr später wurde der Preis schon auf 199£ halbiert.
Heute ist es faszinierend ein Video von einer Präsentation des Sinclair QL aus dem Mai 1984 zu sehen. Sinclair Researchs General Manager Nigel Searle versucht verlorenes Vertrauen in die Firma und das Produkt zurückzugewinnen.
Auch die Verpackung hat mich sehr angesprochen. Meiner Meinung nach hat Sinclair damals schon, ähnlich wie Apple heute, sehr viel Wert auf die Präsentation ihrer Produkte gelegt. Ich wollte einen haben und kaufte diesen Ende 1986 bei Vobis für 399DM. Dies entspricht heute knapp 400€. Ich habe also ein Schnäppchen gemacht. Natürlich hatte ich dann aber Schwierigkeiten passenden Support, Hardware und Software für den Sinclair QL in Deutschland zu finden.
Der Sinclair QL User Club
Ich bin damals auf den Sinclair QL User Club e.V. in Duisburg aufmerksam geworden. Bei meinem ersten Clubtreffen lernte ich mit Werner Bernstein einen begeisterten Sinclair QL Nutzer kennen. Von ihm habe ich Sachen gezeigt bekommen, die ich bis dahin nicht kannte. Was konnte ich da für Wunder sehen? Eine grafische Bedienoberfläche mit Apps in Fenstern? Fenster, die frei bewegt werden konnten und einander überlappen durften? Und das alles auf einem QL?
Er zeigte mir das Pointer Environment (PE) von der Firma Qjump und die Software-Pakete QPAC1 und QPAC2. Damit wurde der Desktop über eine Maus bedienbar. Programme waren wie auf richtigen GUIs in Fenstern eingerahmt. Diese Fenster konnte man mit der Maus bewegen. Nicht mehr die starren drei eher textbasierten Fenster in der hohen Auflösung. Sondern wirklich überlappende Fenster, wie man das bei den anderen GUIs der Konkurrenz vorfand. Und Icons, um die Fenster über die Maus steuern zu können.

Das Pointer Environment besteht aus drei Systemdateien:
- PTR_GEN – das „Pointer Interface“, welches die Fensterinhalte speichert und wieder herstellt. Über CTRL C wechselte man die Fenster der Programme
- WMAN – der Fenster-Manager, der u.a. die Fensterelemente zur Bedienung bereitstellte
- HOT_REXT – das Hotkey System
Mit QPAC1 und QPAC2 bekam man dann eine Auswahl kleiner hilfreicher Programme (Taschenrechner, Uhrzeit, Kalender, etc.), so dass man sich eine graphische Bedienoberfläche aufbauen konnte.
Maximaler Ausbau meines QLs
Als ich das alles gesehen hatte ging ich auf große Einkaufstour. Zuerst bekam ich ein Maus Interface (Qjump QIMI) eingebaut. Dann wollte ich eine Speichererweiterung auf 896 KB RAM und ein Floppy Interface (Miracle Systems Trump Card). Eingebaut war darin das SuperToolkit II von Qjump, das dem SuperBASIC fehlende Befehle hinzufügte. Natürlich kam danach ein Floppy Laufwerk noch auf meinen Schreibtisch. Und auf die Disketten kam damals alles an Software was Rang und Namen in diesem Markt hatte. Damals kaufte ich auch bei Jochen Merz Software (J-M-S) in Duisburg alles, was es für diesen Computer gab. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich meinen Sinclair QL zu einem kompletten System mit graphischer Benutzeroberfläche ausgebaut.

Leider habe ich meinen QL nicht mehr und habe auch keine digitalisierten Bildschirmfotos aus der damaligen Zeit. Während der Vorbereitung zu diesem Beitrag habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich an solche Screenshots kommen kann.
- Eine Maßnahme war der Besuch der 20. Classic Computing in Dietzenbach am 30.9.2023. Dort wollte ich mich mit Experten zum Sinclair QL und aktuellen Weiterentwicklungen wie SMSQ/E austauschen. Leider waren die Sinclair-Fans dort ein wenig unterrepräsentiert. Aber es waren doch interessante Gespräche mit einem VzEkC-Clubmitglied möglich, der einen lauffähigen Sinclair QL und Software ausgestellt hatte.
- Eine weitere Maßnahme war die Frage im VzEkC e.V. Club-Forum, ob Sinclair QL-Experten mir Screenshots zur Verfügung stellen könnten. Dort bin ich in Kontakt mit hilfreichen Clubmitgliedern gekommen.
- Und die letzte Idee war die Nutzung von QL-Emulatoren wie Q-emuLator und QPC2, um darauf die alte Sinclair QL Magie, und auch die neuen SMSQ/E Möglichkeiten anzuzeigen und auch ausprobieren zu können. Und auf diesem Weg habe ich die meisten der in diesem Beitrag gezeigten Screenshots erstellt.
Meine ersten Schritte mit dem Pointer Environment
Aber zurück zu meinen ersten Erfahrungen mit dem Pointer Environment, die ich Ende der 80er Jahre mit meinem maximal ausgebauten Sinclair QL gemacht habe. Wenn die Dateien von der Diskette geladen waren, dann zeigte sich eine komplett neue Oberfläche. Der Button Frame war eine Leiste im oberen Bereich des Bildschirms, über die man Programme und Tools schnell starten konnte.

Man klickte mit der Maus darauf und es öffnete sich ein Fenster. Alle Details wurden innerhalb dieser Fensterfläche angezeigt.

Das o.g. Bild ist eine SMSQ/E-Emulation im QPC2-Emulator unter Windows 11, das wiederum in einer virtuellen Maschine unter Parallels auf meinem Mac läuft 😉. Ich habe hier bewußt den hochaufgelösten vier Farben Modus des QL gewählt. Aber in einer für heutige Monitore angepassten höhere Auflösung. Ich bin der Meinung, dass dieser Screenshot schon sehr schön aufzeigt, was mit dem damaligen Sinclair QL alles möglich war. In einem späteren Kapitel werde ich noch mehr zu den Unterschieden zwischen dem QDOS (in Verbindung mit dem Pointer Environment) und SMSQ/E erläutern.
Bedienelemente der grafischen Oberfläche

Dieses Icon wurde geklickt, wenn man das Fenster verschieben wollte. Dann löste sich dieses Icon vom Fenster und man verschob mit der Maus dieses Icon. An die Stelle verschob sich das Fenster, an der man das Icon mit der Maus losläßt.

Dieses Icon wurde verwendet, um die Fenstergröße anzupassen. Wenn man dieses Icon anklickte, dann löste sich das Icon vom Fenster und man verschob es auf dem Screen. Dort wo man das Icon losläßt wird die obere linke Ecke des Fensters neu gesetzt und die Fenstergröße angepasst.

Beim Klick auf dieses Icon wurde das Fenster schlafen gelegt. Es tauchte dann im Button Frame auf und konnte leicht wieder aufgeweckt werden. Damit erhielt man wieder mehr Platz auf dem doch eher kleinen Desktop des Sinclair QL mit seinen 512×256 Bildpunkten.

Dieses Icon tauchte vor allem bei Programmen mit Listenfenstern auf. Damit war es möglich, wieder auf die erste Zeile der Liste schnell zurückzuspringen.

Mit dem ESC-Button wurde das Programm oder das Fenster geschlossen.
Man sieht also, dass alle Elemente einer auch heute noch gültigen Steuerung einer grafischen Bedienoberfläche vorhanden waren. Die Umsetzung war allerdings sehr britisch gestaltet. Vor allem der Schlaf-Button (ZZZ) ist eine schöne und spleenige Umsetzung.
Eine weitere Besonderheit war das Öffnen von Dateien im File Explorer. Man markierte die Datei und dann tauchte eine Dialogbox auf (Kontextmenü würde man heute sagen). Diese fragte den Benutzer, welche Operation er mit dieser Datei ausführen möchte.

Der nächste Schritt – QL Emulation auf dem Atari Mega ST
Auch im Sinclair QL User Club habe ich dann QL Fans kennengelernt, die den QL auf dem Atari Mega ST emulierten. Und damit lief alles viel schneller ab. Das war auch der Zeitpunkt, wo ich mir einen Atari Mega ST kaufte. Bei J-M-S ließ ich mir den QL Emulator einbauen. In Verbindung mit einem Dongle am ROM-Port des Atari startete der Rechner direkt in den QL Modus. Darauf lief dann SMS2(?), was von Qjump die Weiterentwicklung des QDOS war. Es beinhaltete das Pointer Environment und die Pakete QPAC1 und QPAC2.
Die Disketten mit all den Programmen und Daten konnte ich dann auch auf dem Atari ST verwenden. Ich war sehr zufrieden und habe in der Folge diese Plattform sehr schätzen gelernt.
Aber: der Atari Mega ST konnte so viel mehr mit seinem TOS und dem vollwertigen Motorola 68000 Prozessor als die Sinclair QL Plattform. Diese Erkenntnis führte mich dazu, dass ich dann vollständig auf die Atari ST Plattform umstieg. Erst mehr als dreissig Jahre später kamen nostalgische Gefühle für den Sinclair QL auf. Und Erinnerungen an meine ersten Erfahrungen mit einer grafischen Bedienoberfläche auf einem Computer. Meine Recherchen führten mich zu einer noch lebhaften Szene rund um wenige alte Hasen, die den Sinclair QL und seinen Betriebssystem-Nachfolger SMSQ/E am Leben erhalten.
Was ist SMSQ/E?
SMSQ ist ein Betriebssystem von Tony Tebby, welches er nach seiner Zeit bei Sinclair Research entwickelte. Der Name steht für Single-user Multitasking System und das “Q” kennzeichnet den Bezug zum QL. SMSQ/E ist schließlich die erweiterte (extended) Version. Dieses OS kann nicht mehr auf einem originalen Sinclair QL eingesetzt werden. SMSQ/E erfordert viel mehr Speicher und auch einen stärkeren Prozessor. Features von SMSQ/E sind:
- Hocheffizientes präemptives Multitasking
- SBasic, die verbesserte SuperBASIC-Variante ist eingebunden
- unterstützt höhere Bildschirmauflösungen bis zu 4096×4096 Pixel
- unterstützt 16 bit Farbtiefe mit bis zu 65536 Farben
- Das Pointer Environment ist integriert
- Toolkit II ist eingebaut
- Festplatten- und Diskettenunterstützung
- unterstützt 8 serielle Ports mit bis zu 115200 baud
- unterstützt 4 Druckeranschlüsse.
Und das wichtigste Feature ist: man kann es kostenlos ausprobieren im Emulator QPC2 und einer vollständigen Softwaresammlung. Damit holt man sich die Sinclair QL GUI auf seinen PC. Dies kann ich jedem empfehlen, der diese damals innovative Sinclair QL GUI mal selbst ausprobieren will. Einfacher kann einem der Einstieg nicht gemacht werden.
SMSQ/E ist seit 2002 Open Source. In den letzten Jahren wurde SMSQ/E vor allem von Wolfgang Lenerz und Marcel Kilgus gepflegt.
Persönlichkeiten in der QL Welt
Ich habe im Zuge meiner Recherchen zu diesem Beitrag viele Quellen rund um die Geschichte des Sinclair QL und seiner GUI herangezogen. Es ist einfach großartig zu sehen, wie sehr man sich in der QL und SMSQ/E Szene darum bemüht die Errungenschaften von fast 40 Jahren Entwicklung zu erhalten und einer interessierten Öffentlichkeit den Zugang so einfach wie möglich zu gestalten. Ich habe hier nur einige der meiner Meinung nach prominentesten Vertreter dieser Szene aufgelistet. Bitte zeigt in den Kommentaren auf, wenn ich jemanden vergessen habe, der in den letzten vierzig Jahren eine wichtige Rolle im Produktleben des Sinclair QL und SMSQ/E gespielt hat.
David Karlin
David Karlin ist verantwortlich für das QL-Hardware-Design bei Sinclair. Er erhielt die Gelegenheit die Zukunft des Computings bei Xerox zu sehen. Dort wurden die grafische Bedienoberfläche und viele weitere geniale Zukunftsvisionen verwirklicht. Mit dieser Vision stellte er sich bei Sir Clive Sinclair vor. Dieser bot ihm die Verantwortung für die Entwicklung des ZX83 genannten nächsten Computers an. Das Gehalt passte und David Karlin war schliesslich verantwortlich für das Mainboard mit seinem Chipset. Mir ist allerdings unverständlich, warum er keine Maus in das Hardwarekonzept mit eingeplant hat. Immerhin konnte er bei Xerox PARC den Star mit Maus kennenlernen.
Wichtige Dokumente über die Rolle von David Karlin bei der Entwicklung des Sinclair QL.
- Interview mit einem jungen David Karlin in Sinclair Projects, April/May 1984.
- Beitrag im QL Forum über den ZX8301 Custom Chip, den David Karlin entwickelt hat.
- Sehr vollständiger Beitrag von Ian Adamson und Richard Kennedy über die Entstehungsgeschichte des QL. Ein Must-Read mit Zitaten der handelnden Personen bei Sinclair aus mehreren Interviews.
- The long lost interview with David Karlin, das Urs König mit ihm führte.
Tony Tebby
Tony Tebby ist der Entwickler von QDOS bei Sinclair Research. Er kündigte bei Sinclair nach der viel zu frühen Vorstellung des QL (12.1.1984) und blieb noch bis zum Produktionsstart des Computers bei Sinclair. Er gründete danach Qjump und entwickelte Toolkit II, das Pointer Environment und die QL Pointer Accessory Collections QPAC1 und QPAC2. Alles Tools, für die eine Maus als Eingabemedium sehr hilfreich sein kann. Deshalb kam auch das QIMI Mausinterface als Hardwareerweiterung für den Sinclair QL von Qjump. Er entwickelte die heutige Evolutionsstufe des QDOS, was SMSQ/E genannt wird. Dieses Betriebssystem ist auch Bestandteil von QPC2 von Marcel Kilgus.
Weitere wichtige Dokumente, die Tony Tebby mit David Karlin zusammen erstellte und veröffentlichte, sind
- QL Service Manual
- QL Software Developer Guide als eingescanntes PDF.
Jan Jones
Janice Rosemary Jones ist die Schöpferin des Sinclair QL SuperBASIC. Ursprünglich plante Sinclair den QL als einen professionellen Computer ohne ein eingebautes BASIC herauszubringen. Dieses Konzept wurde mit der Zeit sehr aufgeweicht. Beispielsweise wurde sehr spät im Entwicklungsprozess ein TV-Anschluss eingebaut. Und das SuperBASIC, was eigentlich für eine Art SuperSpectrum vorgesehen war, wurde aus der Schublade herausgeholt. QDOS und SuperBASIC passten zusammen nicht in das auf 32 KB dimensionierte ROM. Deshalb wurden die ersten QLs mit einem zusätzlichen ROM Modul (Cludge genannt) ausgeliefert. Später wurde das ROM intern auf 48 KB erweitert. Aber das SuperBASIC im QL war nicht vollständig. Erst mit Tony Tebbys Toolkit II kamen die fehlenden BASIC-Befehle auf den QL.
Jan Jones schrieb mit QL SuperBASIC – The Definitive Handbook das Standardwerk zu ihrer Programmiersprache.
Jochen Merz
Jochen Merz ist mit seiner Firma J-M-S einer der Hauptlieferanten für Software und Hardware für den QL gewesen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch international. Von ihm kaufte ich viele der Produkte entweder direkt in seinem Laden in Duisburg, oder bekam sie bei den Sinclair QL User Club-Treffen in Duisburg Beeck. Er hat viele der heutigen Standard-Softwarelösungen auf der QL Platform selbst geschrieben. Außerdem war er Herausgeber der deutschen (1996-2002) und der englischen Ausgaben (1996-2013) von QL Today. Für mich persönlich ist er eine der präsentesten Persönlichkeiten in der QL Szene und bestens vernetzt.

Er schrieb 1995 das QDOS/SMS Reference Manual.
Marcel Kilgus
Marcel Kilgus ist der Entwickler des QPC, des meiner Meinung nach besten QL Emulators auf Basis von SMSQ/E. Immerhin nutzen Profis wie Jochen Merz diesen jeden Tag. Seit 1996 ist Marcel auch an der Weiterentwicklung von SMSQ/E beteiligt. In seiner Präsentation zum 25. Geburtstag des QL in Luzern merkt er an, dass er seit Tony Tebbys Ausstieg im Jahr 2002 der Hauptverantwortliche für die Weiterentwicklung des Betriebssystems ist.
QPC1 lief nur unter DOS. QPC2 läuft in seiner aktuellen Version einwandfrei unter Windows 11. Gegenüber SMSQ/E sind folgende Zusatzfeatures nur mit QPC2 erhältlich:
- Zugriff auf lokale PC Laufwerke (“DOS device”)
- Synchronisierung mit der Windows-Zwischenablage
- Steuerung von Audio CDs
- Unterstützung des SMSQ/E Soundsystems.
Wolfgang Lenerz
Wolfgang Lenerz ist der offizielle Registrar (Registerführer?) für die SMSQ/E Sourcen. Darüberhinaus ist er auch noch Softwareentwickler und entwickelt SMSQ/E mit Hilfe von vielen weiteren Unterstützern aus der QL Szene weiter. In der QL Today March/April 2002 auf Seite 46 schrieb Wolfgang Lenerz über die Bereitstellung der SMSQ/E Sourcen von Tony Tebby und den zukünftigen Prozess zur Nutzung und Weiterentwicklung. In diesem Prozess wurden Jochen Merz (J-M-S) und Roy Wood (Qbranch) als Vertriebe für die offizielle Version festgelegt. Und er forderte die Entwickler Community auf, ihn zu unterstützen, damit SMSQ/E auch zukunftsfähig bleibt.
Dilwyn Jones
Dilwyn Jones ist der Betreiber einer der wichtigsten Websites mit Informationen zur Sinclair QL Szene. Außerdem unterhält er dort auch eine Public Domain Library von QL Softwaretitel. Leider hat er ab dem 13. März 2023 seine Website dilwyn.me.uk aufgegeben. Die meisten Links auf QL Ressourcen sind weiterhin auf diese alte Adresse ausgerichtet.
Die neue Website ist jetzt als Teil des QLforums aufgesetzt worden. Dorthin sollten in Zukunft alle Links neu ausgerichtet werden. Ich kann jedem QL Interessierten empfehlen, dort seine ersten Informationen über diesen interessanten Computer zu beziehen. Die Website wird sorgfältig gepflegt von ihm. Auf seinem Blog gibt er regelmäßige persönliche Updates zur QL Szene.
Er unterstützte Jochen Merz bei der Erstellung des QL Today Magazins über zehn Jahre. Heute treibt er mit Launchpad eine weitere GUI für den QL voran.
Urs König
Urs König gründete bereits 1984 im Alter von 16 Jahren seine Firma COWO Electronic. Er kaufte zu Weihnachten 1985 seinen ersten QL. Knapp ein Jahr bevor ich mich für den QL entschied.
Mit seiner Firma unterstützte er die Entwicklung des Sinclair QL bis 1992. Er ist auch heute sehr aktiv in der Szene und der alternative Desktop QTop ist sein bekanntestes Produkt. Er selbst sagt auf seiner Website, dass er eine der vollständigsten QL Sammlungen hat. Diese zeigt er gerne auf QL Fantreffen und in YouTube-Beiträgen.
Seine persönliche Sicht auf die interessante QL Geschichte zeigt er in einem schönen historischen Ablauf. Und er bietet auch die vollständigste Zusammenstellung an QL Software im QL Environment (QL/E) zum Download an. Absolut empfehlenswert.
Was hat mich an der Sinclair QL GUI so begeistert?
Sie war für mich der kostengünstige Einstieg in die neue Welt der Computerbedienung. In die Zukunft des Computing. Die Apple Lisa hat den Weg aufgezeigt. Alle anderen sind ihr gefolgt. Tony Tebby hat mit seinem QDOS und dem Pointer Environment eine technische Grundlage geschaffen, die einem technisch eher eingeschränkten Gerät den Weg in eine lange Zukunft ermöglicht. Und viele Entwickler und Nutzer haben diesen Weg ebenfalls beschritten.
Schade nur, dass es zu diesem Zeitpunkt die Firma Sinclair Research nicht mehr gab. Nur noch Enthusiasten sind auf der Plattform geblieben. Auch ich war dabei, bis ich den Atari Mega ST genauer kennenlernte. Auch dort hatte ich eine grafische Oberfläche, aber mit einer viel besseren technischen Basis.
Aber ganz ehrlich? Auf präemptives Multitasking musste ich bis 1992 auf dem Atari ST warten. Dann kam erst Mag!X und eröffnete Möglichkeiten, die auf dem QL mit QDOS schon im Jahr 1986 für mich möglich waren. Der Mac brauchte auch noch viele Jahre bis zu diesem Feature. Selbst Windows war erst Mitte der 90er Jahre so weit. Nur der Amiga konnte dies von Anfang an. Vielleicht lag es daran, dass auch das AmigaOS von einer britischen Firma (MetaComCo) stammte.
Innovation aus Cambridge war schon mal ein Thema eines meiner Beiträge. Zufall?
Was ich heute in QPC mit SMSQ/E erlebe entspricht auch heute noch der Faszination, die ich vor mehr als 35 Jahre erlebt habe. Es macht Spaß meine Erfahrungen der Vergangenheit wieder zu wecken. Das Aha-Erlebnis, wenn man wieder verstanden hat, wie man die Plattform damals genutzt hat. Und zu erleben, was es Neues in diesem großartigen Softwarepaket gibt, das mit QPC ausgeliefert wird.
Fazit
Bereits 1989 hat sich die ST Computer mit dem Thema QDOS Emulation auf einem anderen Computer beschäftigt. In ihrem Fazit überlegen sie für welchen Kundenkreis diese Lösung interessant sein könnte. Sie kommen auf folgendes Ergebnis.
Zunächst zweifellos einmal diejenigen, die bereits auf dem QL gearbeitet haben oder dies noch tun. Ist die Software zum Betrieb unter QDOS bereits vorhanden, so kann man nach der Umrüstung des ST direkt loslegen auf einer wesentlich schnelleren und zuverlässigeren Maschine. Der Anschaffungspreis des Emulators ist somit die einzig Hürde. Für den QDOS-Neueinsteiger ergeben sich als zusätzliche Hemmschwelle die Investitionen in die Software – die er, etwa bei den Compilern, vielleicht schon in der Version für TOS besitzt.
Stefan Schmidt, ST Computer 3/1989
Heute würde ich sagen ist QDOS oder SMSQ/E ein No Brainer für alle, die sich bereits mit dem QL auskennen oder diese Plattform neu kennenlernen wollen. Die Sinclair QL Community hat in fast 40 Jahren so viel Informationen und Tools zusammengetragen, dass der Einstieg einem maximal einfach gemacht wird. Der Interessierte lädt entweder QL/E oder die neueste QPC2-Variante herunter. Damit kann er direkt mit einem vollständig ausgerüsteten Computersystem arbeiten und es kennenlernen. Das System ist toll weiter entwickelt und gereift.
Für mich war es eine nostalgische Reise in eine großartige Vergangenheit meiner Computerleidenschaft. Emotionen kamen hoch an eine Zeit, als ich mit diesem Computer zum Beispiel die Quartalsabrechnung der Arztpraxis meines Vaters zusammen mit meiner Mutter geprüft habe. Was war die Tastatur doch für eine Plage damals! Aber mit SuperBASIC war es mir möglich ein kleines Prüfungsprogramm zu schreiben und dieses dann mehrere Tage anzuwenden, bis alle Abrechnungsdaten eingegeben waren.
Ein Dankeschön an die Sinclair QL Szene
Ich bedanke mich bei den Persönlichkeiten in der QL Szene, die mir diesen Beitrag mit all ihrer Arbeit ermöglicht haben. Ich war immer nur reiner Anwender und ziehe meinen Hut vor den kreativen Köpfen, die diese Sinclair QL GUI erdacht und weiterentwickelt haben. Diese GUI war mein erster Schritt in eine Computerrevolution, die für mich mit der Apple Lisa begonnen hat und mich damals faszinierte. Statt 10000$ konnte ich mit einem vertretbaren finanziellen Investment ab 1986 meine ersten Erfahrungen mit der auch heute noch gültigen Bedienerführung bei Computern machen. Der Sinclair QL und seine sehr britische GUI wird immer einen Platz in meinem Herzen und meinen Erinnerungen haben.
Ich möchte mit den Worten von Wolfgang Lenerz enden:
QL Forever – now more than ever!
Wolfgang Lenerz in der QL Today March/April 2002, Seite 48
Zusätzliche interessante Quellen für Sinclair QL Themen
- https://qxl.win: eine unerschöpflicher Pool an Wissen zu QL Software und QL Hardware
- Aus dem Retromagazine Mai 2020, ab Seite 20 ein Artikel mit dem Titel Sinclair QL: mistakes, misfortune and so many regrets
- Bericht über QL mit Philips TP200 Monitor: dieser Bericht aus Elmars Virtuellem Computer-Museum war für mich interessant, da dort ein Bild des QL mit einem Philips TP200 Monitor gezeigt wird. Dies war auch mein Monitor, den ich für den Sinclair ZX81 und später für den Sinclair QL verwendet habe.
- FAQ comp.sys.sinclair für den QL: ein schöner Blick zurück in die Vergangenheit des Sinclair QL im Jahr 1994.
- Präsentation über die Geschichte des QL – Dilwyn und Iwan Jones fassen in einer PowerPoint Präsentation mit vielen Fotos die Geschichte des QL und der Köpfe hinter dem Computer zusammen. Absolut sehenswert. Sie wurde zum 25-jährigen Jubiläum des Sinclair QL gehalten.
- Seite zur Feier des 30jährigen Jubiläums des Sinclair QL
- Bericht von Jürgen Malberg in der RETURN Ausgabe 13 zum 30jährigen Jubiläum
- SBASIC/SuperBASIC Reference Manual Online Documentation von Rich Mellor
Epilog: Werner Bernstein
Zum Schluss noch ein großes Dankeschön an Werner Bernstein, der mir auf den Sinclair QL User Club-Treffen in Duisburg Beeck die Sinclair QL GUI zeigte. Dank ihm habe ich sehr schöne Erinnerungen an gemeinsam verbrachte Stunden beim Fachsimpeln über den Sinclair QL, die Psion Archive Software (und die von ihm geschriebenen Datenbanken) und über text87 (die von ihm sehr geschätzte Textverarbeitung). Leider habe ich ihn spätestens Ende der 80er Jahre aus den Augen verloren. Auch Internet-Recherchen in den letzten Jahren halfen nicht Werner wiederzufinden.
Erst bei der Recherche zu diesem Beitrag fand ich in der deutschsprachigen QL Today Juli/August 1997 ein Bild von ihm. Ich habe mich sehr gefreut zu sehen, dass meine Erinnerung an ihn mit dem Bild aus diesem Magazin übereinstimmte. Wer von den Sinclair QL Fans kann mir mehr Informationen über seine Zeit nach 1990 mitteilen?

Hallo,
sehr interessanter Artikel. Leider fehlen die QL und SMSQ/E kompatiblen Nachfolger wie Q40, Q60, Q68 und QZERO Computer. Aller entwickelt von Peter Graf.
Viele Grüße,
Max
Hallo Max, nach dem Sinclair QL gab es schon innovative Hardwarekonzepte, wie die von Dir genannten. Und diese haben auch einen Markt von Enthusiasten gefunden, die dankbar waren, dass überhaupt neue und leistungsfähige Hardware gebaut wurde. Peter und Claus Graf ist hier zu danken.
Der Schwerpunkt meines Beitrag bezog sich auf die großartige GUI, die von Tony Tebby und den Entwicklern von SMSQ/E geschaffen wurde. Sie kann glücklicherweise heutzutage auf jeder Hardwareplattform genutzt werden. Auch Dank Entwicklern wie Marcel Kilgus.
Danke für den Hinweis. Diese Hardware ist mir tatsächlich verborgen geblieben, da ich nach dem QL vollständig auf den Atari ST umgestiegen bin. Und da gab es nie einen 68040-Prozessor. Sowas hätte ich für die Atari ST Plattform gerne gehabt.
Hallo Andreas. Was für ein toller Artikel! Vielen Dank, dass du mir die Welt des QL damit näher bringst. Ich hatte bislang noch keine Gelegenheit mich mit dem QL zu beschäftigen. Das Design des Computers hat mich auch immer sehr angesprochen. Wie du schreibst, ist Sinclair für ein Business Gerät zu viele Kompromisse eingegangen. Der Spagat zwischen Homecomputer und Business Computer funktioniert einfach nicht. Aber trotzdem toll zu sehen, was man alles aus der Kiste herauskitzeln konnte. Das es für den QL auch einen grafischen Desktop gab war mir z.B. auch nicht bekannt.
Mitte der 80er Jahre wurden viele Konzepte einfach ausprobiert und auf den Markt gebracht – das war eine sehr spannende Zeit. Und ich bin immer wieder fasziniert, wie viele Innovationen von der Insel kamen.