80er Geschichte(n) Klassische Computer

Texas Instruments und seine TI-99 Computer

Lesedauer: 19 Minuten Texas Instruments hatte keinen Erfolg bei Homecomputern in den 80er Jahren trotz 3 Millionen verkaufter TI-99 Computer. Warum?

Was für eine schöner Rechner der TI-99/4A von Texas Instruments doch ist. Auch heute noch. Ein glänzendes Metallgehäuse mit vollwertiger Tastatur und auf der rechten Seite in schwarzer Kontrastfarbe der Einschub für die Programmmodule. Außerdem war er der erste 16bit Homecomputer der Welt. Die Stiftung Warentest 10/1984 kürte den TI-99/4A sogar zum Testsieger. Der HNF Blog kommentierte überrascht dieses Testergebnis.

Diesen Computer wollte ich damals haben, als ich mich Anfang 1983 für einen Homecomputer entscheiden wollte. Es ist dann aber ein ZX81 von Sinclair geworden.

Und im Nachhinein bin ich froh, dass ich mich so entschieden habe. Denn Texas Instruments stellte den TI-99/4A wenige Monate danach, am 28.10.1983, ein. Warum?

Als ich meine Recherchen für einen Beitrag zum TI-99/4A machte, stellte ich fest, was für eine interessante Geschichte ich hier erzählen kann. Je mehr ich recherchierte, desto tiefer glitt ich ab in die Tiefen des Internets mit Artikeln über diesen interessanten Computer. Dies ist die Geschichte über Texas Instruments, einer unglaublich innovativen Firma und ihrer Ingenieurskultur, über den TMS 9900, den ersten 16bit-Prozessor in einem Homecomputer und über Erfolg und Misserfolg des TI-99/4A.

Texas Instruments war und ist auch heute noch eine Firma von Ingenieuren. Das kann zu unglaublich innovativen Ergebnissen führen, aber auch ein großer Nachteil sein. Beide Seiten werden wir in diesem Beitrag kennenlernen.

Für diesen Beitrag benutzte Literatur

TitelAutorQuelleBeschreibung
Death of a Computer – How Texas Instruments botched the TI-99/4A (Part 1)Joseph NoceraInfoWorld, 4. Juni 1984Beschreibung der Ingenieurskultur bei Texas Instruments. Rise and Fall der TI-99 Rechner. Preiskrieg zwischen Commodores VIC 20 und dem TI-99/4A
Death of a Computer – TI‘s Price war with Commodore dooms the 99/4AJoseph NoceraInfoWorld, 11. Juni 1984TI wollte den gesamten Markt und glaubte einen Preiskrieg mit Commodore gewinnen zu können. Die Fehler eines Marketinggenies bei Texas Instruments.
The Orphan ChroniclesRonald G. Albright, Jr.Millers Graphics, 1985Ein Buch geschrieben von einem TI-99/4A Fan für Fans mit Unterstützung von Fans. Das Buch ist als Download auf der 99er.net Site zu erhalten. Unbedingt empfehlenswert zu lesen.
The Texas Instruments 99/4: World’s First 16-Bit Home ComputerWalden C. Rhines IEEE Spectrum, 22. Juni 2017Der ehemalige Verantwortliche für die Microprocessor Group bei TI berichtet über die peinliche Niederlage mit dem TI-99/4A. Er hebt die gemachten Fehler bei der Konstruktion dieses Computer hervor.
Oral History of Walden (Wally) C. RhinesInterview mit Walden C. RhinesComputer History Museum, 10. August 2012IBM wollte auch den TMS 9900 von Texas Instruments für seinen IBM PC evaluieren. Der ehemalige Verantwortliche für die Microprocessor Group von TI beschreibt, woran es gescheitert ist.
Texas Instruments TI-99/4AHistory Corner Team, Duke Gozar und Lord of HeavenHistory CornerDetaillierte Beschreibungen der merkwürdigen Designentscheidungen von TI für ihren Homecomputer auf Basis von TMS 9900 Hauptprozessor und TMS 9918 Grafikprozessor.
Der Ti 99/4A – die HardwareBernd LeitenbergerBernd-Leitenberger.deSehr detaillierte Zusammenfassung der Hardware der TI-99 Computer. Alles über den Adressraum von RAM und ROM. Erläuterung der drei GROMS im TI-99. Beschreibung der Ursachen für die schwache BASIC-Performance der TI-99 Computer.
In Memoriam TI-99/4A – oder wie man ein gutes Produkt klein bekommtBernd LeitenbergerBernd-Leitenberger.deNachbetrachtung der Fehler, die Texas Instruments gemacht hat und was man heute daraus lernen kann.
Der TI-99/4B und TI-99/5Fabrice Montubetti99.comIn den Entwicklungslabors gab es sogar Modelle mit einem auf 10MHz getakteten TMS 9900. Hier berichtet der Besitzer eines dieser seltenen Prototypen und liefert intime Details zur Architektur und der Performance.
Literaturrecherche für diesen Beitrag

Texas Instruments und seine Ingenieurskultur

Texas Instruments (TI) hat nicht den ersten Microprozessor erfunden (das war Intel). Aber seine Interpretation eines 4-Bit Prozessors, der TMS 1000, war das erfolgreichste Produkt am Markt während dieser Zeit. Dieser Prozessor wurde unter anderem in Taschenrechnern und Spielkonsolen eingesetzt. Auch heute noch ist TI einer der großen Produzenten von Taschenrechnern.

TI 30 LCD (Quelle: Die_Schatzkiste1988 auf eBay)
TI 30 LCD (Quelle: Die_Schatzkiste1988 auf eBay)

Ich selbst hatte während meiner Schulzeit den TI 30 LCD, ein Gerät mit einer furchtbaren Fehlfunktion der Tasten. Vor allem die Taste 2 lieferte immer wieder mehrere Zahlen auf der Anzeige. Das Gerät war nicht zuverlässig nutzbar. Und da jeder in meiner Klasse diesen Taschenrechner hatte, konnten wir alle denselben Fehler bei den Geräten beobachten. Es hatte ein wunderschönes Metallgehäuse. Einerseits habe ich das Gerät geliebt, aber für diesen Fehler auch gehasst.

TI hat Ingenieuren ein Umfeld geboten, in dem sie forschen und entwickeln konnten. Man hat Ingenieure direkt aus den Hochschulen und Universitäten übernommen und nicht selten haben diese bis zu ihrem Karriereende dort einen sicheren Arbeitsplatz vorgefunden. TI hat auch nicht geglaubt, dass sie für ihre Projekte erfahrene externe Ingenieure einstellen mussten. Sie waren überzeugt, dass ihre Ingenieursteams alles selbst erreichen konnten, auch wenn sie noch keine Erfahrungen in neuen Produktkategorien gemacht hatten. Dies galt auch für die neuen Homecomputer, die mit dem hauseigenen TMS 9900-Prozessor laufen sollten. Der erste 16bit-Prozessor in einem Homecomputer.

Bekannte TI-Ingenieure

Der bekannteste Ingenieur von Texas Instruments ist der Entwickler des integrierten Schaltkreises Jack Kilby. Dafür erhielt er 2000 den Nobelpreis in Physik.

Rod Canion, Jim Harris und Bill Murto waren Senior-Manager von Texas Instruments und gründeten Compaq.

L.J. Sevin war Mitgründer von Mostek und war 10 Jahre CEO dieser Firma.

Die Consumer Products Division, die die TI-99 Computer entwickelte, hatte auch herausragende Ingenieure, die später in ihrer Karriere wichtige Rollen in der Industrie wahrnahmen:

  • Peter Bonfield – heute Sir Peter Bonfield – war als Leiter der Homecomputer Division verantwortlich für den TI-99/4 und wurde später Leiter von Professional Calculators. Er wurde schließlich CEO von British Telecom. Er war auch im Aufsichtsrat von Taiwan Semiconductors, Ericsson und Sony. Außerdem war er Aufsichtsratvorsitzender von NXP und vieles mehr
  • Rob Wilmot war verantwortlich für das Projekt, was letztendlich den Home Computer bei Texas Instruments herausbrachte. Er wurde später CEO von ICL, der damals größten Computerfirma in Europa
  • Tommy George war verantwortlicher Manager für die Produktion. Er wurde später Präsident von Motorola Semiconductors
  • Kirk Pond war Manager von Specialty Products. Er wurde CEO von Fairchild Semiconductors und gründete später Crystal Semiconductor. Daraus entstand dann Cirrus Logic
  • Paul Breedlove entwickelte ein Produkt namens Spelling Bee, aus dem später das massiv erfolgreiche Speak & Spell entstand.

Dallas und Lubbock

Texas ist weit entfernt vom Silicon Valley. Dem Ort, wo die neuesten technischen Gadgets der späten 70er Jahre wie Atari Spielkonsolen, HP Computer oder Apple I und II herkamen. Junge Ingenieure zog es nach Kalifornien, um von dort aus die Welt zu verändern. Aus einer Garage heraus konnten Weltfirmen gegründet werden, weil einfach so viel Talent dort zusammenkam. Mit Universitäten wie Stanford und Berkley gab es Talentschmieden für junge Ingenieure, die sofort von den neuen Computerfirmen im Silicon Valley aufgesogen wurden.

Wie konnten texanische Firmen wie Texas Instruments, Tandy oder EDS junge Talente an sich binden? Ich selbst habe bei EDS gearbeitet, die ihre Zentrale in Plano hatten. Einmal während meiner Karriere durfte ich beruflich nach Plano fliegen und die Zentrale eines der größten IT-Dienstleister der damaligen Zeit besuchen.

TI hatte seine Zentrale ein paar Kilometer weiter in Dallas und eine wichtige Produktionsstätte in Lubbock, knapp 4 Stunden Fahrzeit westlich von Dallas entfernt. TI ist eine Firma, die von Ingenieuren für Ingenieure geführt wird. Das Arbeitsumfeld ist inspirierend und befriedigend. Lubbock ist alles andere als inspirierend und befriedigend. Aber dort war die Consumer Products Group verortet und dort wurden die TI-99 Computer produziert.

TI-99/4 – der erste TI-99 Computer von Texas Instruments

Es begann alles mit der Auswahl des TMS 9900 Prozessor für das erste Homecomputerprodukt der Texaner. Natürlich wollte man sich aus dem eigenen Regal bedienen. Und es lag mit diesem Prozessor ein 16-bit Prozessor vor, der auf dem Papier gegenüber den etablierten 8bit-Platzhirschen MOS 6502 und Zilog Z80 viele Vorteile bot. Tatsächlich war die Idee, dass die TI Consumer Division drei Computerprodukte in unterschiedlichen Preissegmenten entwickeln sollte. Der TI-99 sollte das günstigste Produkt von diesen dreien werden. Er sollte zwischen 300$ und 400$ kosten. Der Prototyp soll den Namen Texas Instruments Dimension-4 erhalten haben. Vielleicht ist zusammen mit dem Prozessornamen TMS 9900 daraus der Name TI-99/4 entstanden. Der Schrägstrich im Produktnamen entspricht der Namenskonvention der Minicomputerfamilie von TI (TI 990/4, /5, /10).

Aufgrund firmeninterner Neuausrichtungen wurden die beiden teuren Produkte fallengelassen. Der TI-99 wurde dann von einem Ingenieur entwickelt, der eigentlich für das teure Computerprodukt eingeplant war. Er hatte nicht das richtige Mindset für ein günstiges Consumer-Produkt und so kam mit dem TI-99/4 ein Computer mit einem Marktpreis von 1150$ heraus. Dies beinhaltete auch einen Monitor laut einer Quelle. Dieser Computer war ein kompletter Misserfolg. Dies lag unter anderem auch an seiner Tastatur, die mehr an einen Taschenrechner erinnerte. Aufgrund Verzögerungen war TI nicht in der Lage, den TI-99/4 in das Weihnachtsgeschäft 1979 zu platzieren. Außerdem war der Markt in den USA noch nicht reif für Homecomputer. Schon gar nicht zu diesem hohen Preis. Die Konkurrenten von Tandy (TRS 80) und Commodore (PET) sprachen auch nur Professionals und Computerenthusiasten an. Und ein 16bit Prozessor war noch lange kein Marketing-Argument, was die Kunden interessierte.

TMS 9900 – der 16bit Prozessor von Texas Instruments

Der TI TMS 9900 war im Jahr 1976 der erste 16bit Prozessor und wurde ab 1979 im TI-99/4 verbaut. Aber es gab ein paar Probleme mit diesem Prozessor. Keiner außerhalb von TI wollte diesen Prozessor. Dies hatte folgende Gründe:

  • Dieser Prozessor ist ein Design basierend auf dem TI 990 Minicomputer. Die Designparadigmen für Minicomputer hätten allerdings nicht auf Mikroprozessoren übertragen werden sollen
  • Die Register waren nicht wie sonst üblich auf dem Prozessor, sondern lagen im angeschlossenen RAM. Durch die langsamen Zugriffe auf das RAM war der Prozessor auch langsam. Im Minicomputerbereich dagegen war das RAM genauso schnell, wie der Prozessor in TTL Logik
  • Außerdem gab es noch kein 16bit Chipset, das die Peripherie oder den Speicher ansteuern konnte. Also wurden weiter 8bit Komponenten verwendet und der Prozessor verlor seinen Geschwindigkeitsvorteil. Alle 16bit Datenpakete mussten in zwei Prozessorzyklen auf 8bit Datenpakete reduziert werden, damit das 8bit Chipset damit arbeiten konnte. Dafür baute TI später eine Variante mit einem 8bit Datenbus, den TMS 9980. Dieser war dann allerdings 33% langsamer
  • Der TMS 9900 benötigte ein 64 Pin Package. Dieses war gegenüber den Standard 40 Pin Prozessoren viel aufwändiger zu bauen und brauchte auch mehr Platz auf dem Board
  • Drei unterschiedliche Spannungen wurden für den Betrieb des Prozessors benötigt: -5, 5 and 12 Volt
  • Zusätzlich konnte der TMS 9900 nicht mehr als 16bit Adressraum ansprechen. Genauso viel wie die damals aktuellen 8bit Prozessoren. Das war ein großer Nachteil gegenüber 16bit-Konkurrenten wie Intels 8086/8088 und Motorolas 68000, die bis zu 32bit Adressraum ansprechen konnten
  • Intel und Motorola hatten Lizenzen an andere Prozessorhersteller vergeben, um ihre Prozessoren zu bauen. TI hatte das nicht geschafft. Dies war aber eine Voraussetzung, die potentielle Kunden wie IBM erwarteten.

Mehr Fakten zum TMS 9900

Weitere Details zu den Problemen des TMS 9900 wurde in einem Beitrag des retrocomputingforums dokumentiert. Absolut lesenswert. Und hier sind noch ein paar weitere Rechercheergebnisse zum TMS 9900:

QuelleKurzbeschreibung
The Inside Story of Texas Instruments’ Biggest Blunder: The TMS 9900 Microprocessor. Von Walden C. Rhines, IEEE SpectrumBeschreibung der Probleme mit dem TMS 9900 Prozessor. Erläuterung, warum Intel dieselben Probleme mit seinem 8086 Microprozessor hatte. Und warum hat sich IBM dann für den Intel 8088 entschieden als Prozessor für seinen IBM PC?
Features des TMS 9900Noch mehr Details über die Besonderheiten des TMS 9900
TMS 9900 Microprocessor Data ManualDas Original Manual für den TMS 9900 von Texas Instruments aus dem Mai 1976
TMS 9900 Die ShotFarbfotographie eines TMS 9900
Mehr Fakten zum TMS 9900

Exkurs: warum ist der TMS 9900 nicht im IBM PC?

IBM versuchte für seinen zukünftigen IBM PC einen zukunftsfähigen Prozessor zu finden und schaute sich den Intel 8086/8088, den Motorola 68000 und den TI TMS 9900 an. Von allen Prozessoren wäre eigentlich der von Motorola die beste Wahl gewesen. Er war ein Big Endian wie alle IBM Prozessoren der damaligen Zeit. Intel und TI waren Little Endian und dies bedeutete, dass man die Software von IBM nicht einfach portieren konnte. Man hätte die Byte-Reihenfolge in Echtzeit umkehren müssen. Das war für damalige Verhältnisse nicht trivial.

Little Endian und Big Endian

Speicheradressen in einem Computer können auf zwei unterschiedliche Arten als Byte-Reihenfolge geschrieben werden. Einerseits als Little Endian, wo das kleinstwertige Byte zuerst gespeichert wird (Intel und TI). Andererseits als Big Endian, wo das höchstwertige Byte zuerst gespeichert wird (Motorola und IBM).

Aber Motorola war noch nicht soweit mit ihrer Entwicklung, so dass sie genügend Testexemplare aus der laufenden Produktion an IBM zur Prüfung geben konnten. Damit waren sie raus. Der TMS 9900 hat wahrscheinlich wegen seiner eingeschränkten Performance und dem Adressbereich von 64KB verloren. Gewonnen hat Intel mit seiner X86-Architektur, die auch heute noch den PC Bereich dominiert.

All dies ist in einem interessanten Bericht von Walden (Wally) Rhines dokumentiert, der zum damaligen Zeitpunkt die TI Microprocessor Group in Dallas übernommen hatte. Er hatte dies übrigens gemacht, da er nicht länger in Lubbock leben und arbeiten wollte. Er führte die Verhandlungen mit IBM. Aus dieser negativen Erfahrung schloss er, dass der TMS 9900 keine Zukunft am Markt hatte. Für das interne Homecomputerprodukt TI-99 konnte er diesen Prozessor und die notwendigen Chipsätze weiterhin zu hohen Preisen verkaufen. Insgesamt wurden bis zu 3 Millionen Homecomputer mit diesem Prozessor verkauft.

Walden Rhines und seine TI Microprocessor Group waren dann aber viel erfolgreicher mit dem Next Big Thing: Digitale Signalprozessoren.

Die merkwürdigen Designentscheidungen bei den TI-99 Computern

Der TMS 9900 war eine untaugliche Wahl für einen Homecomputer der damaligen Zeit. Zwar hatte er einen 16bit breiten Datenbus und drei interne 16bit Register, aber alle Peripheriegeräte konnten nur über 8bit Datenleitungen angesprochen werden. Damit war die mögliche Rechenpower verpufft.

Als Videoprozessor wurde ihm der TMS 9918, später der TMS 9918A im TI-99/4A, beiseite gestellt. Nur der Videoprozessor hatte Zugriff auf 16KB RAM. Der TMS 9900 selbst hatte nur Zugriff auf das ROM und ein 16bit breites 256 Bytes RAM für die Register (Scratchpad RAM genannt). Der Video RAM war nur über 8bit angebunden. BASIC-Programme wurden im Video RAM abgelegt. Der Prozessor musste mühsam über den Videoprozessor auf die BASIC-Programme zugreifen. Jeder Speicherzugriff benötigte zwei Zyklen. Im Grunde war das eine Kombination von Videogame Design und Personal Computer Design. Was für eine Verschwendung an Rechenzeit. Es war einfach nicht gut durchdacht.

Erschwert wurde dies noch dadurch, dass der eingebaute BASIC-Interpreter den Code intern in einen GPL-Code (Graphic Programming Language) übersetzte. Erst danach wurde dies in Maschinencode umgesetzt. Das BASIC war damit unglaublich langsam für damalige Verhältnisse.

Vergleich der Geschwindigkeit des TI 99/4A BASIC mit anderen Computern (Quelle: Noel‘s Retro Lab auf YouTube)

Der TI BASIC Interpreter, war auf zwei GROM-Chip gespeichert. GROMs sind eine weitere TI-Spezialität. Drei GROMs waren im TI-99 eingesetzt, bis zu acht GROMs konnten verwendet werden. Beispielsweise im Modulschacht oder in der Erweiterungsbox. GROMs machten es externen Entwicklern schwer, Erweiterungen für die TI-99 Geräte zu entwickeln.

Totale Kontrolle über den TI Softwaremarkt

Auch Softwareentwicklung wurde für externe Entwickler erschwert. TI wollte an den Softwareumsätzen partizipieren. Bis zu 10% vom Umsatz wollte TI selbst behalten. Dies ist aus heutiger Sicht wenig, wo sich Apple bis zu 30% vom Umsatz über seinen App Store bei den Entwicklern gönnt. Einer der Hauptgründe für diese Forderungen von TI war, dass die Hardwareprodukte Verluste einbrachten. Aber dazu habe ich ein gesondertes Kapitel in meinem Beitrag.

Dadurch litt allerdings die Softwareversorgung für die Enduser. Gerade mal 300 Softwaretitel auf Cartridge gibt es für die TI-99 Rechner. Wenig im Vergleich zu anderen Wettbewerbern wie den Commodore VIC20 oder den C64. Das lag unter anderem auch daran, dass TI kein dokumentiertes ROM und sonstige Unterlagen für Entwickler bereithielt. Um die Geschwindigkeit der TI-99 Computer ausnutzen zu können waren Programme in Maschinencode erforderlich. Mangels Informationen konnten externe Entwickler maximal in BASIC oder Extended BASIC programmieren. Das rächte sich natürlich später, als TI aus dem Homecomputermarkt ausstieg. Es gab keine Anbieter von hochklassiger Software für den TI-99/4A als TI selbst.

Der TI-99/4A – die verbesserte und günstigere Version

Nur 20000 Exemplare des TI-99/4 konnte Texas Instruments von 1980 bis 1981 verkaufen. Das Management war aufgeschreckt. Was hatte man falsch gemacht? Es folgte der Auftritt von Don Bynum und Bill Turner.

Don Bynum war ein dynamischer Ingenieur und Manager bei TI, der beauftragt wurde die kritische Situation zu untersuchen und trotzdem den Homecomputer zu einem Erfolg zu machen. Er war in der Lage sein Team durch „General Patton“ Reden aufzurütteln. TI brachte mit Bill Turner einen externen Marketing Experten an den Start. Bill Turner brachte Fähigkeiten mit, die dem typischen TI Ingenieur fehlten. Er war immer optimistisch gestimmt und hatte für alle Szenarien passende Verkaufsvorhersagen. Dieses Power Duo stellte sich der Aufgabe einen texanischen Homecomputer zu produzieren, der den Markt beherrschen sollte.

Peter Bonfield, der Leiter der Homecomputer Division, versuchte währenddessen den aus seiner Sicht größten Fehler des TI-99/4 zu korrigieren. Er entwickelte mit seinem Team einen Nachfolger mit einem eher klassischen Aufbau basierend auf einem Zilog Z80 Prozessor.

Don Bynum bekam dieses Design vorgelegt und kam zu dem Schluss, dass dieses Produkt nie vom TI Management akzeptiert werden würde. Stattdessen mussten alle Zutaten zu dem Computer aus dem TI Produktregal kommen. Don Bynum erstellte ein Design auf Basis des TMS 9900 Prozessors und nannte es (Texas) Ranger. Mit diesem Vorschlag erhielt er das Go vom TI Management und ersetzte Peter Bonfield.

Das neue Team übernimmt die Verantwortung

Aber der Ranger war zu teuer und wurde nicht realisiert. Es blieb also bei dem TMS 9900 Prozessor und der unglücklichen Architektur, die wir schon beim TI-99/4 kennengelernt haben. Gegenüber der alten Version wurde stattdessen eine bessere Tastatur mit Groß- und Kleinbuchstaben verbaut. Es gab nun auch Funktionstasten. Der Expansion Port wurde so verbessert, dass man den Computer maximal mit zusätzlicher Hardware erweitern konnte. Die notwendigen Treiber befanden sich bereits im ROM. Das war Plug n Play schon in den frühen 80er Jahren. Es wurde mit dem TMS 9918A ein verbesserter Video Prozessor eingesetzt. Vielleicht erhielt der TI-99/4A deswegen seinen Namen. Für nun knapp 525$ ohne Monitor wurde er ab der Sommer CES 1981 angeboten.

Aber erst die richtige Marketing Strategie von Bill Turner bereitete den amerikanischen Markt für den texanischen Homecomputer von TI vor.

Vermarktungserfolge und Homecomputer-Preiskrieg

Einem Marketingexperten wie Bill Turner war klar, dass ein Markt für ein neues Produkt erst mal geschaffen werden musste. Vor allem für ein erklärungsbedürftiges Produkt wie einen Homecomputer. Seiner Meinung nach konnte TI das erreichen, wenn sie das Produkt nicht in Computer Shops verkauften, sondern in normalen Kaufhäusern. Die Kunden mussten diese Produkte überall sehen und kaufen können. Ihm gelang es Verträge mit den grossen Retailern wie Sears, J.C. Penny’s, Toys R Us und Kmart abzuschließen. Außerdem mussten die Preise sinken. Im Grunde war dieser zweite Punkt der Hauptteil seiner Marketingstrategie über die nächsten zwei Jahre.

Eine solche Strategie geht natürlich nur auf, solange eine ausreichende Marge zwischen Preis und Kosten erzielt wird. Dies konnte er erreichen, indem er die TI Ingenieure zu immer mehr Kosteneinsparungen in der Produktion des TI-99/4A herausforderte. Und dies gelang den Ingenieuren auch. Unglücklicherweise hatte er sich Commodore mit seinem VIC 20 als Konkurrenten ausgesucht, den er über den Preis besiegen wollte.

Commodore als Konkurrent

Commodore und sein CEO Jack Tramiel hatten allerdings mit Texas Instruments noch eine offene Rechnung. Commodore wurde von TI aus dem Taschenrechnermarkt gedrängt, weil sie abhängig von TIs Microprozessoren waren. Dies war Jack Tramiel eine Lehre und so sorgte er dafür, dass er für seine Homecomputer auf eine eigene Microprozessorproduktion setzen konnte. Er übernahm deshalb die Firma MOS Technology, die fortan alle Microprozessoren für seine Homecomputer lieferte. Während die TI Homecomputer Division die TMS 9900 zu hohen Preisen intern einkaufen musste, konnte Commodore die MOS 6502 zu Produktionskosten in seinem VIC 20 verbauen.

Bill Turner glaubte wirklich, dass er seinen höherklassigen TI-99/4A gegen den Commodore VIC 20 zu einem günstigeren Preis am Markt anbieten musste. Und er hatte damit Erfolg. Die Produktionszahlen und auch die Verkaufszahlen stiegen und zur Sommer CES 1982 sah es aus, dass man tatsächlich den gesamten amerikanischen Homecomputermarkt beherrscht. Der TI-99/4A hatte im Jahr 1982 einen Marktanteil von 34% auf dem amerikanischen Computermarkt. Don Bynum und Bill Turner waren an der Spitze ihres Erfolgs angekommen. Texas Instruments sah im Weihnachtsgeschäft 1982 wie der klare Sieger aus.

Der Untergang im Preiskrieg

Danach ging es nur noch bergab. Der Preiskrieg bei Homecomputern auf dem amerikanischen Markt war in vollem Gang. Zusätzlich kostete eine Reparaturmassnahme wegen eines fehlerhaften Bauteils 50 Millionen $.

Retrobits großartige Zusammenfassung der Geschichte des TI-99/4A (Quelle: Retrobits auf YouTube)

Commodore konnte den Preis ohne Probleme immer weiter drücken. Und Bill Turner ging jede Preisreduktion mit. Irgendwann war nicht nur die Marge aufgezehrt, der Computer war in der Produktion sogar teurer als der Verkaufspreis des TI-99/4A. Die Ingenieure konnten die Produktionskosten nicht weiter senken. Don Bynum zerstritt sich mit Bill Turner und verließ TI kurz darauf. Aber auch Bill Turner konnte sich wegen der grossen Verluste nicht viel länger bei TI halten und verließ im Juli 1983 die Firma. Texas Instruments kündigte einen Verlust von 119 Millionen $ im zweiten Quartal 1983 an.

Neue Homecomputer von Texas Instruments?

Um die Produktpalette nach unten und oben abzurunden sollten TI-99/2 und TI-99/8 eingeführt werden. Beide sollten weitere Kosteneinsparungen in der Produktion realisieren helfen. Unter anderem durch Verwendung des günstigeren TMS 9995 Microprozessors. Auch ein kompakter TI Computer wurde gezeigt: er sollte TI Compact Computer 40 oder CC-40 genannt werden. Ich habe damals in einer Computerzeitschrift einen Test zu diesem kompakten Computer gelesen und war von dem eleganten Design sehr angetan.

Die günstige Option, der TI-99/2, wurde schnell fallengelassen als der Preiskrieg den TI-99/4A schließlich auf 99$ herunterbrachte. Damals wurde aus Kostengründen auch das hochwertige Gehäuse des TI-99/4A durch ein beiges Plastikmodell ersetzt. Auf den TI-99/8 mit seiner Abwärtskompatibilität hofften viele, aber das TI Management war nicht mehr bereit ein weiteres Risiko im Homecomputermarkt einzugehen. Die Zeitschrift Micropendium hatte in seiner Dezember 1984 Ausgabe einen Bericht über den TI-99/8 (Seiten 12 und 14) veröffentlicht.

Es wurden auch Prototypen eines zuerst TI-99/4B und später TI-99/5 genannten verbesserten TI-99/4A mit 10MHz getakteten TMS 9900 Microprozessoren gebaut. Diese wurden aber dann nach dem Black Friday genannten Tag von enttäuschten TI Ingenieuren mit nach Hause genommen. An diesem Black Friday, dem 28.10.1983, kündigte TI seinen Ausstieg aus dem Homecomputer Markt an. Hunderttausende Neu-TI-99/4A Besitzer, die den günstigen Einstieg in die texanische Homecomputerwelt gemacht hatten, bekamen Angst und Panik. Dadurch, dass Texas Instruments die TI-99 Computer als geschlossene Systeme konzipiert hatte, und darüberhinaus den Softwaremarkt für diese Computer vollständig kontrollierte, sah die Zukunft für diese Kunden schlecht aus.

Leben nach dem Tod?

In den beiden Monaten nach dem Black Friday wurden knapp 150000 weitere TI-99/4A verkauft. Zu Preisen um die 50$ war es für Kunden fast kein Risiko in das Computerhobby einzusteigen und auszuprobieren, ob es ihnen Spass machte. Viele haben danach in die neuen und erfolgreichen Produkte von Commodore (C64, Amiga) und Atari (800XL, ST) gewechselt.

Die TI-99/4A-Pedia ist eine Website mit Übersichten über veröffentlichte Cartridge-Software und bekannte Entwickler aus der TI-99 Welt. Auch die über 10 Jahre laufende Zeitschrift Micropendium, genannt „Home Computer Compendium“ für die drei ersten Ausgaben, ist dort erwähnt. Die Ausgaben der Jahre 1984 und 1985 sind als pdf-Dokumente zugreifbar.

Texas Instruments bot bereits einen Sprachsynthesizer als Erweiterungsmodul für den TI-99/4A an. In Verbindung mit Terminal Emulator II und dem Texnet-Angebot konnten Kommunikationsmessages vorgelesen werden (Text to Speech). Das war schon Anfang der 80er Jahre mit einem Homecomputer möglich.

Frühe digitale Kommunikation der Nutzer des TI-99/4A

Über Texnet konnte man Software rauf- und runterladen, sowie auf Bilder und Musik zugreifen. Und dieses Angebot wurde von den Usern gerne angenommen, auch wenn die Übertragungsgeschwindigkeiten sehr gering waren (1KB/90 sek). Texnet wurde 1985 neu konzipiert und der Software Store wurde betrieben von Don Bynum und seiner Firma Softmail, Inc.

TI-99/4A Besitzer waren intensive Nutzer des damals neuen Kommunikationsdienstes Compuserve. Eine Special Interest Group (SIG) für den TI-99/4A wurde erst nach dem Ende des Homecomputers von Texas Instruments gegründet. Hier halfen erfahrene Experten den vielen nach Antwort suchenden Nutzern.

Auf TI-99 Computern wurden Bulletin Board Systeme (BBS) betrieben, um den lokalen TI-Nutzern die Möglichkeit zu geben sich untereinander digital auszutauschen. Schließlich gab es keine Computerfirma und Magazine mehr, die diesen Computer noch unterstützte. All dies war schon damals möglich, 10 Jahre bevor ich das MausNet für meine Fragen zum Atari ST nutzte.

Der TI-99/4A hatte in den Jahren danach eine große Fangemeinde. Auf 99er.net gibt es auch heute noch eine Website mit Forum zum Erfahrungsaustausch für TI-99 Fans.

Im TI-99/4A Forum auf der Atariage Website wird heftig diskutiert. Zum Beispiel über TIs Fehler mit dem TMS 9900.

Fazit

Die Homecomputergeschichte von Texas Instruments ist sehr spannend, aber nur für eine kurze Zeit erzählt worden. Die TI-99 Computer sind nur von 1980 bis 1984 verkauft worden. Der Microprozessor TMS 9900 war ein Flop. Der Videoprozessor TMS 9918 von 1977 wurde später noch auf der MSX Platform eingesetzt. Laut Karl Guttag, einem der Entwickler dieses Videoprozessors, wurde der Begriff Sprite hier erstmals verwendet. Ein Begriff, den ich erstmals beim Commodore 64 im Jahr 1984 kennengelernt habe.

Diesen Beitrag zu schreiben ist mir nicht leicht gefallen. Ich musste so viele unterschiedliche Informationen zu einem bemerkenswerten Computer und seiner kurzen Produktionsgeschichte auswerten. Erfolge und Fehlentscheidungen lagen nah beieinander. Wie konnte es sein, dass Don Bynum und Bill Turner in der zweiten Hälfte von 1982 wie die klaren Sieger aussahen und wenige Monate später für ein finanzielles Desaster verantwortlich gemacht wurden?

Ich hoffe, ich konnte die Zusammenhänge gut zusammenfassen. Eine grossartige Geschichte, von der man viel lernen kann.

Seriennummer meines TI-99/4A
Seriennummer meines TI-99/4A

Wer heute wissen möchte, wann sein TI-99/4A gebaut wurde, der sollte sich diese Erläuterungen der Seriennummern auf den TI-Rechnern anschauen. Mein Gerät hat die Seriennummer 5289180 LTA0583. Damit ist der Computer in der fünften Woche 1983 in Lubbock gebaut worden.

Spiele für den TI-99/4A kann man beim italienischen TI-99 User Club auf einem Emulator spielen. Alle wichtigen Spiele auf Cartridge gibt es dort. Auch neue Umsetzungen für den TI-99/4A wie Sabre Wulf für den Spectrum gibt es dort. Viel Spaß.

Und hier zum Abschluss eine schöne Zusammenfassung meines Beitrags in einem YouTube-Video von Vortex Garage.

Geschichte des TI-99/4A (Quelle: Vortex Garage auf YouTube)

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